Dank eines Sieges über Mühlhausen ist der SV Hermsdorf Thüringenmeister
Marcus Schulze
Hermsdorf Damian Kowalczyk bekreuzigte sich. Als der Torhüter des SV Hermsdorf unmittelbar vor dem Anpfiff der zweiten Halbzeit zu seinem Arbeitsplatz in der Werner-Seelenbinder-Halle aufbrach, berührte er zuerst flüchtig den Boden im Siebenmeterraum, anschließend bekreuzigte er sich selbst und blickte kurz gen Hallendach. Danach berührte er noch die beiden Pfosten und den Querbalken – dann war er bereit für den zweiten Akt am Samstagabend zwischen dem SV Hermsdorf und den Handballern des VfB TW Mühlhausen 09.
Zu jenem Zeitpunkt nun lautete der Spielstand zwischen dem Ligaprimus aus Hermsdorf und den Gästen aus der Müntzerstadt 13:12. Ein Sieg oder ein Remis – und die Kreuzritter um Coach Mario Kühne dürften sich Meister nennen. Doch der Tabellenzweite aus Mühlhausen gab sich im ersten Durchgang widerspenstig und machte es den Hermsdorfern alles andere als leicht – und so handhabte er es dann auch zum Auftakt des zweiten Aktes. Doch Damian Kowalczyk gab mehr als nur einmal den Spielverderber. Der 33-jährige Keeper hielt in jener Phase nicht nur zwei Siebenmeter, sondern vereitelte auch noch die eine oder andere Großchance. Kurzum: Er hielt sein Team im Spiel…
„Jeder hat seine Rituale, und ich bin nun einmal ein Katholik, bin so erzogen worden – das gehört für mich einfach dazu“, sagte Damian Kowalczyk, der seine zweite Saison für den SV Hermsdorf absolviert. Und ja, er ziehe aus seinem Glauben naturgemäß Kraft; gerade in solchen Situationen, in denen er zwischen den Pfosten noch eine Idee mehr unter Druck stehe, sagte der Torhüter, der aus Polen stammt und der die Woche über nicht trainieren konnte, da ihn eine Magen-Darm-Grippe plagte. Erst während der Erwärmung vor der Begegnung habe er sich dazu entschieden, zu spielen. Und ja, er habe heute unter Druck gestanden. Sehr sogar…
Keines der beiden Teams konnte sich im zweiten Akt zwingend absetzen, in der 55. Minute lautete der Spielstand 21:21 — und die letzten fünf Minuten der Begegnung dehnten sich gefühlt gen Unendlichkeit. Die Spieler – auf dem Feld oder der Bank – blicken immer wieder auf die Uhr in der Halle. Jan Heilwagen, der aufgrund eines Muskelfaserrisses zur Passivität verdammt war, kratzte am Wahnsinn. Mitunter hockte der kleine Flügelflitzer da am Rande wie Gollum aus „Herr der Ringe“, um im nächsten Moment aufzuspringen und nervös von A nach B zu laufen – gleich einer offenen Selters. „Du kannst halt nichts machen; da bekommst du die Motten“, sagte Jan Heilwagen nach der Partie…
Letztendlich war es der Treffer zum 25:23 von Oleksandr Petrov (59.), der die Erlösung brachte. 42 Sekunden später herrschte dann schließlich Gewissheit: Der SV Hermsdorf darf sich Thüringenmeister nennen und spielt womöglich in der kommenden Saison wieder in der Mitteldeutschen Oberliga. Doch es kann durchaus möglich sein, dass die Kreuzritter noch eine Relegation absolvieren müssen. Doch am Samstagabend spielte das erst einmal keine Rolle. „The Heat of the Moment“ und so…
„Ich fühle mich sehr erleichtert, immerhin haben wir drei Jahre daran gearbeitet“, sagte Mario Kühne nach der Partie vor der Halle, während aus der Kabine seiner Pappenheimer „No Limit“ von 2 Unlimited dröhnte. Mühlhausen habe seinem Team alles abverlangt, und erneut hätten sich seine Spieler zu viele Fehler erlaubt, monierte Mario Kühne. Am Ende habe die individuelle Klasse von Oleksandr Petrov den Unterschied gemacht, so der Coach, der mit seinen Worten auf die drei Tore des Ukrainers während der letzten fünf Minuten verwies. Insgesamt erzielte Petrov neun Tore in dieser Partie.
Ach ja, die Geschichte dieses wegweisenden Spiels wäre nicht in Gänze erzählt, wenn man nicht auf die 42. Minute eingehen würde: Da griff Martin Ehm nach mehreren Monaten Zwangspause, die einer Meniskusverletzung geschuldet war, erstmals wieder in das Geschehen ein. Ja, der „Ehminator“ erzielte sogar ein Tor, doch in der 56. Minute war für ihn Feierabend – er humpelte gen Bank.
„Ich wollte ja unbedingt noch einmal Thüringenmeister werden; mich hat es schon angekotzt, dass ich jetzt nicht spielen konnte. Ich habe mich vor der Partie gut gefühlt, es war auch keine gegnerische Einwirkung, doch gerade fühlt es sich überhaupt nicht gut an“, sagte Martin Ehm nach der Partie und blickte dabei skeptisch auf sein Knie. Gerade stünde ihm der Sinn nur bedingt nach Feiern…