Rechtsaußen-Haudegen Jan Heilwagen vom SV Hermsdorf über eine Leidenschaft namens Handball und den Neuanfang in der Thüringenliga
Von Marcus Schulze
Hermsdorf. Er sei immer der Kleinste gewesen. Und auch der Leichteste. Er habe sich stets durchbeißen müssen, nichts geschenkt bekommen, dafür aber ein ums andere Mal zusätzliche Trainingseinheiten absolviert. Immer und immer wieder. Habe darüber hinaus auch stets nach links und rechts in Sachen Handball geschaut, immer auf der Suche nach etwas Neuem, etwas, was er sich von einem anderen Spieler hätte abschauen können und habe sich zudem belesen.
„Ich hatte in körperlicher Hinsicht immer Defizite und musste diese mit Schnelligkeit oder Technik ausgleichen. Die anderen Handballer waren im Vergleich zu mir irgendwie alle riesig, so 1,90 Meter“, erinnert sich Jan Heilwagen, der es auf überschaubare 1,70 Meter bringt und auf der Waage 68 Kilogramm schafft.
Körperliche Defizite mit Training ausgeglichen
Gibt man dem gebürtigen Hermsdorfer Jan Heilwagen, der als Linkshänder naturgemäß die rechte Außenbahn beackert, die Möglichkeit, über sein Metier namens Handball zu sprechen, wird eine Sache sehr schnell deutlich: die Leidenschaft. Heilwagen glüht für diesen Sport – und das nicht erst seit gestern.
Eine kleine Szene im Training am Dienstag, als denn der Ball nicht wie gewünscht im Tor landet, verdeutlicht dies ungemein. Der 32-Jährige ist darüber so sehr frustriert, es war nicht das erste Mal, dass ihm ein durch und durch beherztes und natürlich auch lautstarkes „Oh Mann“ auf dem Weg zur Ausgangsposition über die Lippen kommt. Doch damit nicht genug, denn in jenem Moment, als er denn seinem Unmut Luft verschafft, springt der Handballer in die Höhe und dreht sich dabei exakt einmal – wie einst Günter Netzer nach seinem 2:1-Siegtreffer im Pokalfinale 1973 – um die eigene Längsachse. Leidenschaft, zweifelsohne. Und auch Ehrgeiz. Doch auch der Spaß kommt nicht kurz. Und so strahlt der agile und äußerst wendige Spieler beim Laufduell mit Martin „Ehmi“ Ehm gut eine halbe Stunde später über beide Ohren, wirkt mit seinen flinken Bewegungen, selbst beim Interview kann er kaum ruhig sitzen, wie ein Rumpelstilzchen, das einen Handball hinterherjagt. Leidenschaft, Ehrgeiz und eben auch Spaß.
Doch dann gibt es noch eine weitere Seite bei Jan Heilwagen, die sich da Verantwortung nennt. Und so gibt der Haudegen – neben Stefan Riedel und Petr Nedved einer der Dienstältesten in den Reihen des SV Hermsdorf – seinen Mitspielern unmissverständlich zu verstehen, wenn sie denn einmal die Klappe halten und doch bitte Trainer Pierre Liebelt zuhören sollen.
Entsprechend schmerzt jemanden wie Jan Heilwagen, der seit der Saison 2005/06 ein fester Bestandteil der 1. Mannschaft des SV Hermsdorf ist und seit jeher in der Mitteldeutschen Oberliga spielt, wenn er denn die bisherige Saison Revue passieren lässt. „Es wird darauf hinauslaufen, dass wir absteigen werden. In den sauren Apfel müssen wir jetzt beißen.“
Im Vorfeld der Saison 2016/17 habe sich viel im Verein geändert, gerade mit Blick auf die Spieler. „Viele alte Spieler mussten gehen, dafür wurden junge geholt, die jedoch noch nicht über die nötige Erfahrung für die Mitteldeutsche Oberliga verfügen“, resümiert der Rechtsaußen und schiebt nach: „Wir müssen einen Neuanfang in der Thüringenliga starten.“ Und das werde alles sein – nur kein Zuckerschlecken. „Wer denkt, dass wir da automatisch um den Wiederaufsteig spielen, liegt falsch“, warnt Heilwagen. Gerade gegen einen Absteiger aus der Mitteldeutschen Oberliga würden die Teams aus der darunter liegenden Spielklasse besonders motiviert agieren.
Wie er dergleichen von sich gibt, blitzt gleichzeitig wieder diese Mischung aus Leidenschaft, Ehrgeiz, Spaß und Verantwortung auf. Denn gleich ob Mitteldeutsche Oberliga oder künftig Thüringenliga: Es geht um Handball.
„Mein ganzes Leben hat sich bis jetzt um diesen Sport gedreht. Er kam immer an erster Stelle. Früher haben sogar meine Leistungen in der Schule darunter gelitten, doch meine Eltern standen stets hinter mir“, berichtet Jan Heilwagen, der einen siebenjährigen Sohn hat. Überhaupt würde in sportlicher Hinsicht nichts an Handball herankommen. Auch Jan Heilwagen beschwört die oftmals zitierte Körperlichkeit „Es geht halt zur Sache, bleibt jedoch meistens fair und es ist nun einmal auch ein sehr, sehr schneller Sport. Die Tore fallen mitunter im Sekundentakt.“
Angefangen hat für ihn alles im zarten Alter von neun Jahren. Damals, im Oktober 1993, habe er sein erstes Training beim SV Hermsdorf absolviert. Zuvor muss es ein Probetraining in der Schule gegeben haben, doch so ganz genau weiß das der gelernte Maler- und Lackierer, der derzeit im Porzellanwerk Hermsdorf in der Produktion arbeitet, nicht mehr – es ist ja nun auch schon 24 Jahre her. Es mangle rückblickend nicht an schönen Momenten, sei es in der Jugend oder später bei den Herren. Besonders das Final-Four-Turnier im Mai 2010 sei ihm in Erinnerung geblieben, als denn der SV Hermsdorf auf den letzten Drücker das Halbfinale gegen Ronneburg noch drehen konnte und somit den Einzug ins Finale schaffte, in welchem sie dann auch noch Gotha besiegen konnten.
Schöne Momente zum einen, Freundschaften in der Handball-Welt zum anderen – wie etwa jene mit Ondrej Masak, der morgen ab 19.30 Uhr mit Zwickau HC Grubenlampe in der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf gastieren wird.
Sieg gegen ZHC Grubenlampe möglich
Blickt Jan Heilwagen auf den Gegner, gibt er sich durch und durch optimistisch. „Die können wir zu Hause auf jeden Fall schlagen.“ Die Sachsen würden sehr kompakt auftreten, gerade hinten im Mittelblock mit eben Ondrej Masak, der dort als Dreh- und Angelpunkt in der Abwehr fungieren würde. Des Weiteren würde der ZHC mit Josef Pour und Keisuke Inamoto über fähige Torhüter verfügen. Alles in allem handle es sich beim Team von Trainer Jiri Tancos um eine sehr geschlossen agierende Mannschaft, die nicht den einen herausragenden Spieler in seinen Reihen weiß, dafür jedoch zahlreiche junge Spieler.
Ja, es mag abgedroschen klingen, doch man wolle schlichtweg noch das Beste aus dieser verhunzten Saison machen, betont Jan Heilwagen. Das Team wolle noch ein paar Siege einfahren, wolle die Vorgabe des Trainers, jene zehn Punkte, erfüllen. „Wir müssen unseren Fans einfach zeigen, dass wir auch in schweren Zeiten willens sind“, sagt der Außenflitzer geradezu entschlossen – und plötzlich klingt es erneut nach Leidenschaft, Ehrgeiz, Spaß und eben auch Verantwortung.
Otz/Marcus Schulze/ 03.03.2017