Gegen den SV Plauen-Oberlosa wird Stefan Riedel heute sein letztes Spiel für den SV Hermsdorf absolvieren
Von Marcus Schulze
Hermsdorf. Die Emotionen kamen erst lange nach dem Spiel. Irgendwann am Abend, als denn Ruhe einkehrte. Erst in jenen besinnlichen Stunden des 1. Mai habe Stefan Riedel realisiert, dass er vor ein paar Stunden sein letztes Heimspiel in der Mitteldeutschen Oberliga für seinen SV Hermsdorf absolvierte. „Am Abend war ich dann schon etwas traurig“, sagt Stefan Riedel, der jedoch auch darauf verweist, dass sich beim quasi finalen Einlauf in der Werner-Seelenbinder-Halle am vergangenen Montag alles schon etwas anders angefühlt habe. „Zum ersten Mal war ich vor einer Partie aufgeregt.“ In jenen Momenten kurz vor dem Anpfiff sei ihm plötzlich bewusst geworden, dass es wohl das letzte Mal sein wird. Doch er legte den Schalter um, schließlich musste er noch spielen.
Nach dem verlorenen Derby gegen den HSV Apolda hatte Stefan Riedel ebenfalls keine Zeit, nicht wenige wollten noch einmal kurz mit dem „Stefan“ reden, ihm noch einmal die Hand schütteln oder ihm auf die Schulter klopfen. Ein Autogramm musste er zudem auch geben. Nein, bei so viel Tohuwabohu um einen herum und permanenter Interaktion bleibt keine Zeit für mögliche Reflexionen. Dergleichen ist erst möglich, wenn denn etwas Ruhe einkehrt und man das zuvor Geschehene an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen kann.
Heute nun wird Stefan Riedel sein letztes Spiel überhaupt für den SV Hermsdorf absolvieren. Wird noch einmal mit seinen Teamkollegen beim SV Plauen-Oberlosa in die Handball-Schlacht ziehen. Danach ist Schluss. Es mag vielleicht etwas pathetisch klingen, doch mit dem Ausscheiden von Stefan Riedel endet eine Ära in Sachen Handball in Hermsdorf, schließlich ist der noch 35-Jährige ein Eigengewächs und auch ein Aushängeschild des Sports in der Region. Nicht umsonst hängt sein überlebensgroßes Konterfei, auf denen er die Arme verschränkt hat und mit ernster Miene dreinblickt, in der Werner-Seelenbinder-Halle in eben Hermsdorf, jenem Ort, an dem er gut 25 Jahre seiner Leidenschaft nachging.
Leidenschaft im Alter von zehn Jahren geweckt
Geweckt wurde besagte Leidenschaft bei Stefan Riedel im zarten Alter von zehn Jahren. Vermutlich, so ganz genau kann er es nicht mehr beziffern. Er muss schon sehr in der Kiste seiner Handball-Erinnerungen stöbern, bis er das Alter benennen kann. Fakt ist aber, dass da ein gewisser Sportlehrer namens Steffen Schreiber eine entscheidende Rolle spielte. Der einstige SV-Spieler und spätere Trainer von Hermsdorf, dem HSV Ronneburg oder dem HBV Jena 90 habe ihn letztlich im Alter von 14 Jahren endgültig für die Handball-Materie sensibilisiert. Wer weiß, wie es denn gekommen wäre, wenn der Pädagoge nicht eingegriffen hätte, schließlich konnte sich Stefan Riedel in jenen Tagen auch sehr für Basketball begeistern. „Es fiel mir schwer, mich zu entscheiden.“ Das junge Talent spielte gleichzeitig in der Landesauswahl Handball und eben auch in dem Pendant für Basketball. Am Ende entschied sich Stefan Riedel jedoch für den Handball.
Wie aus der Pistole geschossen kommt indes die Antwort, wenn man ihn nach seinem Debüt in der 1. Männer-Mannschaft des SV Hermsdorf fragt. Da war er noch ein Teenager, gerade einmal 17 Jahre alt und lief im Pokal gegen Mühlhausen auf. Vier Tore konnte er bei seiner Feuertaufe am 19. Dezember 1998 erzielen. Und seit diesem Tag hat der Handball – mehr oder weniger – sein Leben bestimmt, stand er aller 14 Tage sonnabends um 19.30 Uhr in Hermsdorf auf dem Feld.
Warum ausgerechnet Handball? „Handball ist ein ehrlicher Sport. Da geht es zur Sache – und das gefehlt mir. Über 60 Minuten stehen sich zwei Parteien gegenüber, die sich bekämpfen, doch danach umarmt man sich“, so der gebürtige Hermsdorfer über sein sportliches Metier. Die körperliche Dimension, natürlich, das sei eine Facette des Sports. Doch dann wäre da auch noch der Umstand, dass man Teil eines Ganzen sei. „Man kann sehr viel mit einer Mannschaft und deren unterschiedlicher Charaktere erreichen. Das finde ich einfach nur schön und man kann davon auch eine Menge jenseits des Sports anwenden.“
Er habe stets versucht, für alle da zu sein und ein offenes Ohr zu haben. Was Riedel damit meint, verdeutlicht eine Szene während des Spiels in der Rückrunde gegen Grubenlampe Zwickau. Teamkollege Marvin Schreck haderte da auf der Bank mit einer Entscheidung des Unparteiischen. Natürlich blieb dergleichen Stefan Riedel nicht verborgen. Geradezu herzlich umarmte die Nummer 10 die Nummer 5, die danach nicht mehr ganz so traurig aus seiner Handball-Wäsche blickte.
Ja, die Nummer 10, die hatte er von Anfang an, beerbte damit SV-Größe Jens Hartmann. Im September 2008 ließ sich der Lagerist, der bei einem Stahlhändler in Hermsdorf arbeitet, besagte Zahl auch auf die Brust tätowieren.
Dass der SV Hermsdorf ab der kommenden Saison in der Thüringenliga spielt, schmerzt Stefan Riedel natürlich, zumal der Verein ja Gründungsmitglied der Mitteldeutschen Oberliga war. Da fallen dann auch kritische Worte, der Schnitt in puncto Personal im vergangenen Jahr sei schlichtweg zu krass gewesen. „Was mir aber Hoffnung macht, sind unsere jungen Spieler wie Felix, Max, Tom oder Hannes. Die haben so viel Potential. Ich glaube, dass ihnen die Thüringenliga nicht schaden wird. Als gereifte Spieler können sie ja dann nach eins, zwei Jahren wieder oben angreifen – gerade unter einem tollen Trainer wie Pierre.“
Dankbar ist Stefan Riedel Spielern wie Thomas Bermig, Ferenc Bergner oder Karsten Oßwald, die ihn von Anfang an gefördert hätten, für ihn da waren. Nicht zu vergessen Manager Ralf Kühne. „Sie haben an mir festgehalten, denn ich war kein einfacher Junge. Ich war halt ein wenig verrückt“, sagt Stefan Riedel rückblickend über seine Sturm-und-Drang-Phase und muss lachen. Bis zu seinem 23. Lebensjahr sei er kein Kind von Traurigkeit gewesen, doch dann lernte er seine bessere Hälfte Dorothea kennen, mit der er nun auch ein Kind erwartet. Im Oktober ist es soweit. Zweifelsohne eine neue Herausforderung für Stefan Riedel, auf die er sich jedoch sehr freut.
Mittlerweile würde er seine bisweilen müden Knochen spüren, der Rücken würde sich in schöner Regelmäßigkeit melden und auch für die Regeneration würde er mehr Zeit benötigen. Die Liste der Verletzungen im Laufe seines Sportler-Daseins ist lang: Trümmerbruch im Finger, Innenband- und Meniskusanriss, überhaupt wurden alle Bänder in Mitleidenschaft gezogen. Dazu gesellten sich auch noch Verletzungen im Gesicht.
Alles in allem blickt Stefan Riedel vor seinem letzten Spiel äußerst zufrieden auf die vergangenen 25 Jahre: „Ich war immer ein Teamspieler, war fast immer Stammspieler. Ich denke, dass ich nicht alles falsch gemacht habe.“
Otz/Marcus Schulze/06.05.2017