Seit dem 13. Juni trainieren die Handballer des SV Hermsdorf wieder. Dabei setzt Trainer Pierre Liebelt auf besonderes Intervalltraining.
Hermsdorf. Die Geräusche sind wohlbekannt. Bereits einige Meter vor der Gerd-Pillau-Halle kann man sie vernehmen. Sie dringen regelrecht aus der Eingangstür und geben jenem, der sie denn hört, unmissverständlich zu verstehen, dass in besagter Halle in den Vorabendstunden des Donnerstages trainiert wird. Zu markant ist das Quietschen, welches die Schuhe auf dem Parkett, eine Co-Produktion sozusagen, erzeugen. Und es ist eben diese für den Hallensport typische Geräuschkulisse, die darauf schließen lässt, dass im Inneren des eher kleinen, ja etwas unscheinbaren Funktionsbaues mit DDR-Charme, eine Handvoll Sportler engagiert ihrer Passion nachgehen. In diesem Fall sind es die Handballer des SV Hermsdorf, die sich seit gut drei Wochen auf die neue Saison in der Thüringenliga vorbereiten.
Doch damit nicht genug. Zu besagter Schuh-Symphonie gesellt sich noch eine Stimme, die ebenso unnachgiebig wie die Wechselwirkung zwischen den Tretern und dem Hallenboden ihren Weg gen Freiheit sucht. Recht grell, passend zur Schuhmusik, kommt sie dann auch daher, dabei durch und durch fordernd und in gewisser Weise unverkennbar: Es ist Pierre Liebelt. Eigentlich Bedarf es keines Abstechers mehr in die kleine Halle, es würde eigentlich schon reichen, wenn man als Zuhörer seine Augen schließen würde. Ad hoc hätte man zahlreiche Bilder rund um den SV-Trainer vor seinem geistigen Auge, wie er denn lautstark – und dabei niemals auf einer Stelle verharrend – seine Spieler verbal antreibt. Sie lobt, kritisiert und dazwischen den einen oder anderen lockeren Spruch abdrückt. Der Liebelt eben.
Doch natürlich tut man gut daran, einen Blick auf das Geschehen in der Halle zu werfen. Als erstes erspäht das routinierte Auge Kreisläufer Marvin Schreck, was dem Umstand geschuldet ist, das er auf der Höhe des Eingangstür gerade zu Gange ist – und zwar mit einem Lachen im Gesicht. Dieses wiederum hat er nicht exklusiv. Auch Felix Reis, Maximilian Remde oder Cedric Schreiber, der ein T-Shirt des HBV Jena trägt, wirken nicht gerade so, als ob ihnen das Training massiv gegen den Strich geht.
Martin Ehm gibt die Stimmungskanone
Gleiches gilt auch für Martin Ehm, der so ein wenig die Stimmungskanone gibt und den einen oder andren Kommentar präsentiert, mit dem der „Ehminator“ beweist, dass er über sich selbst lachen kann. Kleine Kostprobe: „Oh je, jetzt kommt der Teil, den ich nicht so gut kann“, sagt er kurz vor dem Athletikprogramm. Danach wiederum – sichtlich abgekämpft und schwitzend – kann Martin Ehm nur über sich selbst staunen: „Dass ich auf meine alten Tage noch so fit werde.“ All gemeines Gelächter.
Es sind Momente wie diese, in denen deutlich wird, warum ein Hannes Rudolph über seinen Mitspieler sagt, dass er ein wichtiger Charakter für das Team sei. Apropos Hannes Rudolph. Der ist nicht zugegen, da ihm am Montag in Jena die Titanplatten in seinem Gesicht, die ihm nach seinem Jochbein- und Augenhöhlenbruch eingesetzt werden mussten, entfernt worden. In gut zwei Wochen will er wieder einsteigen. Auch nicht mit von der Partie ist Jan Heilwagen, der familiären Verpflichtungen in diesen Stunden nachkommen muss. Und auch Tom Friedrich ist nicht vor Ort, da er gerade Urlaub macht. Kapitän Robert Zehmisch kann nach seinem Innenbandanriss im März noch nicht wieder am eigentlichen Training teilnehmen. Stattdessen hat er sich die Boxhandschuhe angezogen und tobt sich ein wenig an einem Sandsack in einem Raum in der Werner-Seelenbinder-Halle aus. Dafür ist Neuzugang Sebastian Hammer vom HSV Weimar anwesend. Zusammen mit Maximilian Remde bildet er nun quasi die Weimar-Connection in den Reihen des SV Hermsdorf. Noch hält er sich in verbaler Hinsicht etwas zurück, was jedoch in der Natur der Sache liegt.
Hannes Rudolph hatte Operation am Montag
Während nun auf der einen Seite die Feldspieler in Gruppen verschiedene Übungen rund um die Abwehrarbeit absolvieren, bei denen das Parkett beeindruckend vibriert – erinnert irgendwie an den Club Berghain in Berlin –, trainieren auf der anderen die Torhüter Petr Nedved und Felix Hentschel. Auf einer umgedrehten Bank, die wiederum auf Hockern steht und im Ganzen an einen improvisierten Schwebebalken erinnert, trainieren sie ihr Gleichgewicht. Zwischen den beiden Trainings-Polen in der Halle springt nun Pierre Liebelt hin und her. Dabei lässt es sich der gelernte Torwart nicht nehmen, auch auf dem „Schwebebalken“ die Übungen höchstpersönlich zu demonstrieren.
Zwischen Neuzugang Sebastian Hammer und den üblichen Verdächtigen des SV Hermsdorf hat sich jedoch noch ein anderer Protagonist geschmuggelt, den das Hermsdorfer Publikum mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht vergessen hat: Daniel Zele.
Der Ungar, der in den vergangenen zwei Jahren für MSG Groß-Bieberau/Modau in der 3. Bundesliga spielte und für die kommende Saison beim HC Elbflorenz in Dresden in der 2. Bundesliga spielen wird, hat derzeit Urlaub und besucht seine Freundin in Hermsdorf. Und wenn er denn schon einmal an seiner alten Wirkungsstätte ist, wollte er auch mit seinen einstigen Mitstreitern – allen voran Marvin Schreck – trainieren. „Es macht natürlich Spaß, hier zu trainieren. Ich habe zwei Jahre in Hermsdorf gespielt und habe hier viele Freunde. Ich komme immer wieder gerne hier her“, sagt Daniel Zele, für den die Saisonvorbereitung mit Elbflorenz Dresden in der kommenden Woche beginnt. „Für mich ist das alles Neuland, schließlich ist es das erste Mal für mich, dass ich in der 2. Bundesliga spiele. Aber das war immer mein großer Traum – und jetzt wird er wahr. Ich werde an meine Grenzen gehen und möchte eine gute Saison mit meiner neuen Mannschaft in Dresden spielen. Aber wir werden sehen“, sagt Daniel Zele, der auch noch nach dem eigentlichen Training in der Kabine verweilt.
Bei der letzten Übungseinheit am Donnerstag stehen indes alle Zeichen auf Basketball. Bei dieser entpuppt sich Felix Hentschel als recht souveräner Drei-Punkte-Schütze und auch der „Ehminator“ kann den einen oder anderen Ball recht ansehnlich versenken, wofür er sich dann auch gebührend feiern lässt.
Und der Coach? Der wirkt sichtlich zufrieden mit dem Dargebotenen. „Alle sind gewillt, alle haben Bock, auch auf die neuen Sachen, die wir im Training eingeführt haben“, so das Fazit von Pierre Liebelt. Neu sei unter anderem die Erwärmung, bei der man auf kurze Übungen zurückgreife, für die sehr viel Beinarbeit vonnöten sei. Stichwort: Tabata-Training (siehe Infokasten). Waldläufe gibt es bei Pierre Liebelt nicht, er möchte direkt in das Handballtraining einsteigen und es mit dem Athletik verbinden. „Lieber die Athletik so gestalten, wie es unsere Sportart fordert“, erklärt der Sportpädagoge und verweist auf die Tatsache, dass es sinnvoller sei, in der Vorbereitung den Schwerpunkt auf eben kurze, hochintensive Übungen zu legen, als denn die Spieler stundenlang laufen zu lassen. „Auch im Spiel haben wir kurze, dafür hochintensive Momente, von denen wir uns dann sehr schnell wieder erholen müssen. Keiner von uns läuft 30 Minuten in ein und demselben Tempo durch die Halle.“
Derby mit HBV Jena wird entgegen gefiebert
Das Kapitel Mitteldeutsche Oberliga haben Pierre Liebelt und seine Spieler abgeschlossen. Nach dem Training in der Kabine werden schon einmal die kommenden Gegner ins Visier genommen – allen voran den HBV Jena 90. Dem künftigen Derby fiebern jetzt schon alle entgegen, gleich ob Spieler oder Trainer.
Und am Ende ist es dann auch Pierre Liebelt höchstpersönlich, der seine Spieler zu Tisch bittet. Er hat eine große Schüssel Couscous dabei. „Geil“, sagt Martin Ehm, füllt eine Schale, lässt sich auf der Massagebank nieder und führt, tiefenentspannt, den Löffel gen Mund. Ein ums adere Mal. Der „Ehminator“ eben.
Marcus Schulze / 01.07.17/ Otz