Gegen den künftigen Thüringenliga-Konkurrenten ThSV Eisenach II konnte der SV Hermsdorf im Thüringer Amateurpokal 28:20 (14:8) siegen
Von Marcus Schulze
Hermsdorf. Nach dem Spiel gab es ein Küsschen für Hannes Rudolph. Seine bessere Hälfte war dafür verantwortlich. Es sei schön, dass der Hannes endlich wieder spielen würde, sagte die Freundin des Linksaußen mit vernehmbarem Stolz.
Und sie hatte auch allen Grund dazu, war es doch wahrlich schön, oder auch imposant, dass Hannes Rudolph da wieder durch die Werner-Seelenbinder-Halle wirbelte. Mitunter hochakrobatisch im Pokalspiel gegen den ThSV Eisenach II seine Flugmanöver darbot, die nicht wenige der SV-Anhänger so vermisst hatten. „De Hannes is wieder uff der Höhe“, so der fachkundige Kommentar da auf der Tribüne.
Fünf Tore konnte er bei seinem ersten Pflichttermin nach einer Zwangspause von gut acht Monaten zum 28:20-Sieg des SV Hermsdorf im Thüringer Amateurpokal beisteuern. „Es war schon irgendwie aufregend, nach so langer Zeit wieder zu spielen“, so Rudolph nach der Partie, der jedoch auch betonte, dass er hier nichts dramatisieren möchte, schließlich sei er ja auch bei diversen Testspielen während der Vorbereitung dabei gewesen. Das Team als solches sei also eingespielt. Mit Blick auf die eigene Leistung beschwor er die berühmt-berüchtigte Luft nach oben, die sei natürlich noch vorhanden, doch für den Anfang sei das erst einmal nicht ganz schlecht gewesen.
Doch nicht nur Hannes Rudolph durfte man bei seinen Aktionen wider die Schwerkraft bewundern, auch Kapitän Robert Zehmisch demonstrierte recht eindrucksvoll am Sonnabend, dass er sich von seinem Innenbandanriss erholt hatte. Und wie. So manches Geschoss auf seinen geliebten Kasten parierte er mit katzenartigen Beinbewegungen, dass man hätte denken können, er müsse nach der Partie noch schnell nach Las Vegas fliegen, um einen gewissen Floyd Mayweather zu verhauen.
Okay, wir wollen mit der Kirche im Dorf bleiben, doch das Extra-Training während der Vorbereitung am Sandsack scheint sich ausgezahlt zu haben. Mister Miyagi wäre stolz gewesen, wenn er denn gesehen hätte, wie er zur Erwärmung Latten und Pfosten mit seinen Beinen verdrosch. Und wie leidenschaftlich er sich ärgerte, wenn er dann doch einmal hinter sich greifen musste. Die letzten Männer halt. Vom Trainer gab es jedenfalls das Gütesiegel „sehr gut“.
Mister Miyagi wäre stolz gewesen
Damit das SV-Hermsdorf-Update vollständig ist, muss natürlich auch erwähnt werden, dass der Spieler mit der Nummer 90 auf der Mitte Neuzugang Vladut-Razvan Vlat aus Rumänien war, der in manchen Situationen durchblicken ließ, warum ihm Coach Pierre Liebelt das Label „Straßenhandballer“ verpasste. Seine zackigen Körpertäuschungen ließen so manchen Jungspund vom Fuße der Wartburg ad hoc ergrauen. An Energie und Vitalität mangelte es ihm definitiv nicht. Natürlich konnte er in der Kürze der Zeit, seit Anfang vergangener Woche nimmt er am Training teil, noch nicht in Gänze in alle Spielabläufe integriert werden. Immer wieder gab es kurze Hinweise von seinen neuen Teamkollegen, gleich ob Jan Heilwagen, Hannes Rudolph, Maximilian Remde oder Martin „Ehminem“ Ehm.
Letzter bewies dann auch seine Qualitäten vom Sieben-Meter-Punkt, verwandelte er doch alle vier Exemplare. Und als die handballspielende Frohnatur namens „Ehminator“ – die später in der Umkleidekabine bei „Boom! Shake The Room“ von DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince den Regler nach oben schraubte, schließlich sei in puncto Lautstärke noch Luft nach oben – in der 59. Minute aus der eigenen Hälfte den Ball in das verwaiste Eisenacher Tor zum 28:19 hämmerte, war schon längst alles entschieden. „Das war`s“, bilanzierte ein Zuschauer bereits in der 52. Spielminute, als Hannes Rudolph zum 24:17 verwandelte. In der ersten Hälfte konnten die Gäste viermal egalisieren (2:2/3:3/6:6/7:7), hatten jedoch nicht ein einziges Mal die Führung inne. Ab der 17. Minute, beim Stand von 8:7, konnte sich das Team von Pierre Liebelt langsam, dafür stetig, absetzen. 14:8 lautete der Pausenstand. Nach dem Wiederanpfiff konnte Eisenach noch einmal auf vier Tore verkürzen (11:15/36.), doch das war dann auch schon das höchste der Gefühle. Zehn Minuten später führte Hermsdorf souverän mit 22:14.
„Wir wollten aggressiv verteidigen. Das war die heutige Aufgabe und ich denke, dass wir das ganz gut hinbekommen haben“, so das Fazit von Pierre Liebelt, der bis zur 45. Minute nicht gerade stoisch in sich ruhte, sondern lautstark an der Außenlinie gestikulierte. Mit 20 Gegentoren hätten seine Spieler die Aufgabe ganz gut gelöst, zumal der individuell zweifelsohne starke Gegner doch recht viel auf dem Feld probiert habe, so der Trainer weiter. Im Umkehrspiel hätten seine Spieler jedoch das eine oder andere Tor noch liegenlassen. 28 Treffer seien zu wenig, diesbezüglich sei noch etwas – na was wohl – Luft nach oben vorhanden. Des Weiteren habe er in der Offensive die von ihm stets angestrebten klaren Entscheidungen mitunter vermisst. Daran müsse man arbeiten.
Mit Argusaugen wurde das Geschehen da auf dem Platz nicht nur von den SV-Fans verfolgt, sondern auch von einer kleinen Delegation des HBV Jens 90 um Kapitän Hagen Rose – eben jenem Rivalen in der Thüringenliga, der sich den Aufstieg ganz groß auf die Fahnen geschrieben hat. Da wurde alles akribisch mitgeschnitten. Sonderlich beeindruckt zeigten sich die Handballer aus der Universitätsstadt von dem Dargebotenen beider Mannschaften, die 2. Mannschaft des ThSV spielt ebenfalls in der Thüringenliga, nicht. „Sicherlich, es hat auf beiden Seiten nicht an Fehlern gemangelt. Doch das sei beiden Teams verziehen, da wir uns ja gerade noch am Anfang der Saison befinden“, so Hannes Rudolph, der auch darauf verwies, dass es mitunter noch an Struktur samt Kaltschnäuzigkeit im Spiel des SV Hermsdorf mangeln würde.
Trommelfeuer erklang nach der Partie
„Man muss ja nicht immer hochästhetisch gewinnen. Wir sollten uns einfach darüber freuen, dass wir erfolgreich in die Saison gestartet sind“, sagte Pierre Liebelt. Zum Schluss erklang in der Werner-Seelenbinder-Halle ein Trommelfeuer. Dergleichen gab es in der vergangenen Saison ja eher selten. Und was besagte Trommelkulisse betrifft, die Gruppe der Handball-Perkussionisten war noch recht überschaubar, ist ebenfalls noch Luft nach oben vorhanden.
Tore SV Hermsdorf: Ehm 8, Rudolph 5, Heilwagen 4, Reis 4, Vlad 3, Czikos 1, Hammer 1, Remde 1, Nedved 1
Otz/29.08.2017/Marcus Schulze