In einer nervenaufreibenden Partie kann der SV Hermsdorf gegen ThSV Eisenach II noch Unentschieden (24:24) spielen
Von Marcus Schulze
Hermsdorf. Maximilian Remde schrie sich den Frust von der Seele. Kurz zuvor hatte er sich seines Trikots entledigt, was wiederum einem geradezu kathartischen Akt gleichkam. Und der Spieler mit der Nummer 69 hatte auch allen Grund dazu, denn am Ende war es sein Treffer – in wahrlich höchster Not – der dem SV Hermsdorf am 3. Spieltag noch einen Punkt sicherte.
Noch 28 Sekunden verblieben den Kreuzrittern am Sonnabend in der Partie gegen den ThSV Eisenach II, um noch etwas Zählbares beim Stand 23:24 zu holen. Anspannung lag da bereits spürbar in den letzten Minuten der Begegnung in der Luft, in der alles entscheidenden Phase blieb dann kaum noch jemand auf seinem Platz sitzen in der Werner-Seelebinder-Halle. Mario Kühne, seines Zeichens Sportlicher Direktor, gelang es nicht, ruhig da oben auf der Empore neben Hallensprecher Holger Posse auszuharren. Zu groß war die Gefühlsachterbahn, die er in jenen Augenblick durchlitt. Vielmehr lief er von A nach B in der Loge, hielt dann immer Mal kurz am Geländer inne, um dann weiter – gerne mit den Händen hinter dem Kopf – seine Meter zu schrubben. Wie viele es wohl gewesen sein mögen?
Mit den Gedanken noch in der Kabine
Letztlich war es Tom Friedrich, der Maximilian Remde in Szene setzen konnte. Der wiederum packte noch einmal alles in die letzte Aktion des Abends hinein – und sollte damit Erfolg haben. Ein Aufschrei sondergleichen folgte, als denn der Ball für ein paar flüchtige Momente im Netz verweilte, bevor der denn endgültig hinter dem ThSV-Schlussmann zu Boden ging. Erlösung bei den Fans und auch bei den Spielern, alle wohlwissend, dass es letztlich „nur“ ein Remis war.
„Wir waren zu Beginn der zweiten Hälft mit unseren Gedanken wohl noch in der Kabine. Eisenach hat das ausgenutzt, um auszugleichen. Damit waren sie wieder im Spiel“, resümierte Maximilian Remde, dem auch der Treffer zum 23:23 gebührte. Vor dessen finalem Kraftakt war es Torwart Felix Hentschel, der beim Stand von 23:24 eine Großchance seitens der Gäste – ein Alleingang – vereiteln konnte.
4:1 lag Eisenach nach sieben Minuten in Führung, doch Hermsdorf kämpfte sich wieder heran, konnte schließlich in der 16. Minute zum 6:6 egalisieren, doch Eisenach blieb in Schlagdistanz, konnte zum 9:9 ausgleichen (26.). Danach trafen Marvin Schreck, Martin Ehm und Felix Reise, so dass es beim Stand von 12:9 in besagte Kabinen ging. Nach 40 Minuten führte der SV Hermsdorf mit drei Treffern (18:15), die jedoch dreieinhalb Minuten später Geschichte waren (18:18). Schließlich übernahm das Team von Benjamin Riemann das Kommando, lag in der Schlussphase oftmals mit einem Treffer hauchdünn in Führung, währender SV Hermsdorf stets dem Ausgleich hinterher rannte. Gerade in der Endphase. „Am Ende können wir mit dem einen Punkt zufrieden sein, obwohl für uns sicherlich mehr drin gewesen wäre“, sagte Maximilian Remde. Dass seine Urgewalt von Wurf am Ende auch erfolgreich sein würde, darüber habe er in jenem Moment nicht sinnieren können. Da Eisenachs Benjamin Trautvetter ein harter Gegenspieler sei, habe er sich kurzerhand dazu entschlossen, mit beiden Beinen abzuspringen – eine wahrlich weise Wahl.
Es sei – mit Blick auf die Endphase – ein glücklicher Punkt, betonte indes Pierre Liebelt, „aber auf das ganze Spiel betrachtet, haben wir heute einen Punkt verloren“, so der SV-Coach weiter, der jedoch auch auf die Undiszipliniertheiten in seinen Reihen verwies sowie diversen Fehlentscheidungen in Überzahlmomenten. Eisenach sei ein sehr starker Gegner gewesen, der zudem sein ganzes Repertoire in puncto Spieler aufgefahren habe, betonte Pierre Liebelt. Dass sein Team nur 24 Gegentore kassiert habe, würde für die Abwehr und die Torhüter – auf Robert Zehmisch war Verlass – sprechen. „Wir haben schlichtweg die ersten Minuten nach der Pause verschlafen. Da hätten wir unsere Führung ausbauen müssen“, so das Fazit des Coach.
Und Mario Kühne? Der da oben auf der Empore ungeduldig wie einst Julia, die auf ihren Romeo wartete, hin und her gelaufen war, gab zu Protokoll, dass er wohl eine gute Stadionrunde zurückgelegt hätte. „Das geht gar nicht anders. Man kann nicht ruhig bleiben, man nimmt da oben alles ganz anders wahr.“
Tore: Remde 5, Schreck 5, Ehm 4, Heilwagen 4, Vlad 3, Rudolph 2, Reis 1
Otz/Marcus Schulze/19.09.2017
Und noch der Vorbericht aus der Otz.
Mit dem Taktikbrett zur Erkenntnis
Heute gastiert mit dem ThSV Eisenach II der direkte Tabellennachbar des SV Hermsdorf in der Werner-Seelenbinder-Halle – das erste Topspiel
Marcus Schulze
Hermsdorf. Pierre Liebelt verfügt über ein Taktikbrett. Auf diesem notiert der Trainer des SV Hermsdorf für sich und seine Spieler vor einer jeden Handball-Partie eben jene Aspekte, die ihm wichtig erscheinen. Die Aufstellung findet sich auf diesem ebenso wieder wie auch die möglichen Stärken, Schwächen und auch Finten des Gegners. Und auch die Ziele seines Teams sind auf besagtem Brett ausführlich vermerkt. So handhabte es der Sportpädagoge natürlich auch vor der Partie gegen SV Aufbau Altenburg.
Da sich nun jene Begegnung am 2. Spieltag der Thüringenliga gegen den Aufsteiger aus der Skatstadt als letztlich recht zähe Sache präsentierte, die Kreuzritt mit Ach und Krach 31:30 denkbar knapp siegten, habe er das Brett vor dem eigentlichen Training am Dienstag noch einmal in der Kabine aufgehängt. Noch einmal wertete er mit seinen Mannen die Vorgaben und Zielsetzungen aus und stellte zudem Fragen an das Spielerstelldichein da in der Umkleide der Werner-Seelebinder-Halle. Monologe würde er indes nicht halten, vielmehr würde er, Pädagoge durch und durch, den quasi Diskurs mit den Seinigen suchen, ganz im Sinne der großen französischen Philosophen Michel Focault und dessen Standardwerk „Die Ordnung des Diskurses“ (1971). „Na klar könnte ich mich da auch vor die Jungs stellen und eine gefühlte Ewigkeit schwadronieren, doch dann wäre es um die Selbsterkenntnis schlecht bestellt“, räumt Pierre Liebelt ein. Es sei allemal ergiebiger, wenn denn die Spieler sich selbst zu den Defiziten äußern würden. Hannes Rudolph oder Martin Ehm würden sich regelmäßig im Rahmen dieses Handball-Gedankenaustausches äußern, aber auch Marvin Schreck, Robert Zehmisch, oder Jan Heilwagen. Die etwas älteren Spieler eben. Das Defizit, welche Pierre Liebelt bereits während der Partie gegen Aufbau Altenburg ausgemacht hatte und am Dienstag dann noch einmal diskursartig aufgriff, sei in erster Linie die mangelnde Kommunikation samt dem falschen Agieren seiner Spieler innerhalb der Abwehr gewesen. Das wiederum habe letztlich den Gegner gestärkt, so das Resümee des Trainers.
Gegen den heutigen Gegner ThSV Eisenach II sollen dieses Defizit nicht noch einmal zum möglichen Zünglein an der Waage mutieren. Fragt man Pierre Liebelt zu etwaigen Schlüsselspielern in den Reihen von Trainer Benjamin Riemann, benennet er zuerst Benjamin Trautvetter, seines Zeichen Co-Trainer der zweiten Aufgebots der Eisenacher und Spieler in einem, der zudem noch über reichlich Handballerfahrung verfügen würde, spielte er doch viele Jahre in der ersten Mannschaft des ThSV. Ansonsten müsse man laut Pierre Liebelt mit den üblichen Protagonisten rechnen, wie etwa Sascha Kleint oder Philipp Emmelmann. Diese müssten seine Spieler im Auge behalten.
Ansonsten gilt auch für Eisenach II jene Maxime, die eben nun einmal für alle Mannschaften mit Römisch Zwei im Namen gilt: Man weiß letztlich nie, wer da noch alles von oben, sprich der ersten Mannschaft, herunterpurzeln würde. Da aber auch der Bundesligist am Wochenend in der Pflicht stehe, sei die Wahrscheinlichkeit recht gering, dass da noch der eine oder andere Spieler aus der ersten Garnitur die Reise gen Holzland antreten würde. Die Vorgabe des Trainers ist indes klar und deutlich: Am Ende sollen auch nach dem dritten Spiel in der Liga zwei Punkte für die Kreuzritter herausspringen.
Die Handballer vom Fuße der Wartburg dürfe man natürlich nicht unterschätzen, nur weil man sie vor ein paar Wochen im Pokal recht souverän geschlagen habe. „Das Spiel gegen den Aufsteiger Altenburg sollte uns diesbezüglich allen eine Warnung gewesen sein. Wenn wir so spielen wie am vergangenen Sonntag, wird es sehr, sehr schwierig für uns. Eisenach ist immer gefährlich. Das haben sie auch im Pokal demonstriert. Sobald wir da einmal etwas nachgelassen haben, waren sie sofort wieder zur Stelle“, warnt Pierre Liebelt, der auf den „Zwischenspurt“ verweist, den seine Mannschaft in dem Pokalspiel dargeboten hätte, und ohne den es um den Erfolg schlecht bestellt gewesen wäre. Doch damit nicht genug, der Trainer verweist zudem auf die vergangenen zwei Spieltage, die für das Team von Benjamin Riemann ebenfalls erfolgreich waren. Erst siegte es gegen eben Altenburg, danach triumphierte es über Ziegelheim. „Es ist, wenn man denn so will, das erste Topspiel der Saison“, sagt Pierre Liebelt. Ein Blick in die Tabelle bestätigt die Aussage des Trainers, treffen doch in der Werner-Seelenbinder-Halle der bis dato Zweite der Thüringenliga, Eisenach, und dessen unmittelbarer Tabellennachbar, Hermsdorf – der derzeit Platz drei innehat – heute aufeinander. Mit Blick auf den Kader kann Pierre Liebelt nicht klagen, sind doch alle Spieler an Bord, lediglich hinter dem Einsatz von Kapitän Robert Zehmisch steht noch ein Fragezeichen. Den Torwart plagen leichte Probleme in der Leiste. Vladut-Razvan Vlad wird zudem wieder mit von der Partie sein, bereits am Wochenende sei er wieder in Deutschland angekommen. Studienverpflichtungen in seiner Heimat verhinderten, dass er gegen Altenburg auflaufen konnte.
Ach ja, bei aller Liebe für Theorie, Selbstreflexion und Erkenntnis sei man schließlich jenes ausgemachte Abwehrproblem auch in der Praxis angegangen, sprich im Training. Wie es denn nun um die Abwehr-Erkenntnisse bestellt ist, davon kann man sich dann heute ein Bild machen.
SV Hermsdorf Vs. ThSV Eisenach II, Heute, 19:30 Uhr, Werner-Seelenbinder-Halle
Otz/Marcus Schulze/16.09.2017