In einem hochspannenden Derby kann der SV Hermsdorf beim HSV Ronneburg 28:26 (15:13) siegen
Von Marcus Schulze
Ronneburg. Eigentlich stand Vladut-Razvan Vlad schon unter der Dusche. Doch sein Vorhaben in Sachen Körperhygiene nach dem Spiel gegen den HSV Ronneburg wurde jäh unterbrochen, als sich denn seine Teamkollegen für das obligatorische Gruppenfoto – schließlich hatte der SV Hermsdorf gewonnen – in der Kabine formierten. Entschlossen holten sie Vladut-Razvan Vlad, der zur Freude aller Involvierten im Adamskostüm samt etwas Schaum seinen Teil zum Foto-Stelldichein beitrug. An dieser Stelle muss sich nun niemand sorgen, dass es da etwas zu sehen gab, was man unter Umständen gar nicht sehen soll – oder auch will -, denn auch dafür gab es eine äußerst spontane Lösung: der mit Bier gefüllte und auch nicht gerade kleine Stiefel wurde gekonnt für jene flüchtigen Moment an markanter Stelle positioniert. Man könnte auch von Zweckentfremdung sprechen. Vielleicht.
Ja, die Freude war bei den Handballern des SV Hermsdorf äußerst groß am Sonnabend nach der Wiederauflage des Derbys, welches sie am Ende mit 28:26 (15:13) gewinnen konnten. Und so wurden die Regler an der mobilen Anlage von Holger Posse aufgedreht und der Sieg entsprechend gefeiert. Stichwort: „Will Grigg’s On Fire“. Das war das Lied, welches sich die Fans von Nordirland für die Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich quasi zu Eigen machten. Das Original stammt indes von Gala und heißt „Freed From Desire“ aus dem Jahr 1997. Und wie der Maximilian Remde dazu hüpfen kann. Vielleicht rührt ja daher seine Sprungkraft. Wer weiß?
Robert Zehmisch verhinderte Ausgleich
„Ein Sieg ist immer etwas Schönes, aber wenn du das Derby für dich entscheidest, fühlt sich das noch eine Idee besser an“, sagte Jan Heilwagen, der nach der Partie schon ein wenig heißer ins Mikrofon sprach. „Wir haben gesagt, dass wir uns auf den Kampf vorbereiten. Das haben wir dann auch akribisch gemacht und den Kampf entsprechend angenommen. Ich denke, dass sich das im Spiel dann auch widergespiegelt hat. Das war spitze auf Knopf“, so Jan Heilwagen weiter, der auch betonte, dass sich die Mannschaften auf Augenhöhe begegneten, Hermsdorf vielleicht ein Quäntchen mehr Glück gehabt hätte und an diesem Spieltag wohl auch den besseren Torhüter. Des Weiteren verwies der SV-Routinier auch die Abwehrleistung von Matthias Krüger, Stefan Riedel und Marvin Schreck, schließlich würden dort die Meisterschaften entschieden werden, betonte der Flügelflitzer, der auch noch die Abgeklärtheit eines Felix Reis und eines Martin Ehm hervorhob. Letzterer hatte gerade nach dem Wiederanpfiff einen richtig guten Lauf, erzielte binnen fünf Minuten drei Treffer (16:14/17:15/18:17).
Doch kommen wir zu Robert Zehmisch, der wahrlich einen äußerst gewichtigen Anteil am Sieg der Kreuzritter gegen das Team von Stefan Koska hatte. Der vermeintliche Mr. Miyagi in den Reihen von Pierre Liebelt hielt so manches Ronneburger-Geschoss in seiner bekannten Karate-Manier, doch als er gut zweieinhalb Minuten vor Abpfiff der Partie – beim Stand von 27:26 für Hermsdorf – den Wurf von Christopher Eisenstein mit dem rechten Fuß parieren konnte und den Ausgleich des Gastgebers somit verhinderte, glich dergleichen einem geradezu symbolischen Akt. Denn in diesem Moment übernahmen die Hermsdorfer Schlachtenbummler das akustische Kommando im Hexenkessel an der Zeitzer Straße 27 in Ronneburg, während das verstummte HSV-Publikum wohl in jenen Momenten ahnte, dass hier ein Team zu Gast war, welches den Hexenkessel unbedingt als Sieger verlassen wollte.
Was folgte in jenem finalen Akt, war der große Auftritt von Felix Reis, der 32 Sekunden vor Spielende noch einmal abhob und den Ball im HSV-Tor versenkte: 28:26. Danach musste nur noch die ausstehende Zeit heruntergespielt werden, anschließend lag man sich aufseiten der Hermsdorfer in den Armen. „Ich musste es einfach probieren, rein von der Athletik war ich mir schon ziemlich sicher, dass ich es schaffen kann, zumal ich nach beiden Seiten reichlich Platz hatte. Da muss man dann halt einfach den Arsch in der Hose haben und das Ding zu 110 Prozent durchziehen“, sagte Felix Reise nach der Partie, als sich denn die gute Laune vom Spielfeld langsam gen Kabine verschob. Für ihn war es das erste Derby seines Lebens mit der 1. Männermannschaft gegen den HSV Ronneburg. „Es war einfach nur geil. Die Stimmung war super und das Spiel hochspannend“, resümierte Felix Reis.
Maximaler Vorsprung zwei Tore
Ja, hochspannend war das Dargebotene wirklich, schließlich konnte sich keines der beiden Teams während der 60 Minuten großartig absetzen. Maximal zwei Tore lautete der höchste Vorsprung auf beiden Seiten.
„Am Ende kam uns zugute, dass wir mehr Optionen zum Wechseln hatte“, sagte ein sichtbar zufriedene Pierre Liebelt nach der Partie, der noch einmal darauf verwies, dass sich das alles auch etwas anders hätte gestalten können, wenn Mirko Alexy den HSV Ronneburg unterstützt hätte. Nichtsdestotrotz sei die Manndeckung gegen Christopher Stölzner aufgegangen und auch Christopher Eisenstein habe sein Team in der zweiten Hälfte gut im Griff gehabt. Allein über die rechte Außenseite hätte man zu viele Tore kassiert und auch das Konterspiel habe sich nicht nach seinen Vorstellungen entfaltet, bemängelte Pierre Liebelt. „Doch eigentlich sollte man das einfach einmal genießen, wenn man denn gegen den amtierenden Thüringenmeister auswärts gewinnt“, sagte der SV-Coach. Er habe in keinem Moment daran gezweifelt, dass sein Team hier verlieren könne. „Daran darf man gar nicht denken. Ich war mir die ganze Zeit sicher, dass wir hier zumindest mit einem Unentschieden herausgehen.“
Ach ja, natürlich lief jetzt nicht nur Musik in der Kabine des SV Hermsdorf, die da nordirische Fußballfans glücklich macht, sondern u.a. auch noch ein volkstümlich daherkommendes Musikstück namens „Frau Meier hat gelbe Unterhosen an“ (2010) vom stimmigen Duo Casanovas aus dem Zillertal. Und wenn dergleichen erklingt, schlägt besonders bei einem SV-Protagonisten das Herz höher. Wer das ist, wird an dieser Stelle mal lieber nicht verraten. Geschmackspolizei und so. Nur so viel sei gesagt, er wird auch „Ehminator“ genannt.
Tore: Ehm 8, Reis 6, Heilwagen 4, Riedel 3, Schreck 3, Remde 2, Friedrich 1, Hammer 1
OTZ/17.10.2017/ Marcus Schulze
Und hier noch der Vorbericht vom 14.10.2017
„Auf in den Kampf!“
Nach sechs Jahren Pause trifft heute um 19 Uhr der SV Hermsdorf im Hexenkessel an der Zeitzer Straße 17 erstmal wieder auf den HSV Ronneburg
Marcus Schulze
Hermsdorf. Jan Heilwagen strahlt über sein ganzes Gesicht, während er an seinen angestammten Platz zurückrennt. Nur wenige Augenblicke zuvor konnte er in typischer Jan-Heilwagen-Manier ein Tor im Training am Donnerstag erzielen. Der kleine Flügelflitzer startete durch, fing den Ball und schmetterte diesen – von der rechten Seite kommend – in die kurze Ecke an Schlussmann Petr Nedved vorbei. Keine Chance für den Keeper, der danach noch ein wenig mit dem kassierten Treffer hadert. Jan Heilwagen wiederum sucht den Absender der von ihm erfolgreich verwandelten Vorlage. Das Zuspiel kam von keinem Geringeren als Stefan Riedel, der nun seit ein paar Wochen stolzer Vater eines Sohnes ist. Heilwagen klatscht mit Riedel ab, die SV-Routiniers sind sichtbar zufrieden. Und dass Stefan Riedel auch als frischgebackener Papa noch weiß, wo sich das Tor befindet und wie man denn davor zu agieren hat, stellt er etwas später eindrucksvoll unter Beweis – Tor.
Doch es sind nicht nur die altgedienten Kanten in den Reihen von Trainer Pierre Liebelt, die sich bei der letzten Übungseinheit am Donnerstag, dem eigentlichen Spiel, nach Kräften einbringen. Auch die jungen Akteure wie Tom Friedrich oder Felix Reis, agil wie ein junges Reh und mit beeindruckendem Antritt, sind ebenfalls kaum zu bremsen. Als Gegenentwurf zum stets recht besonnen daherkommenden Felix Reis fungiert indes Vladut-Razvan Vlad, der sich über ein missglücktes Abspiel geradezu abgrundtief ärgert. Der wird schon einmal der Hallenboden mit den bloßen Händen verdroschen. „Ruhig, Vlad“, wirft da Maximilian Remde ein. Im Vergleich zum südosteuropäischen Temperament eines Vladut-Razvan Vlad wirkt der lautstark artikulierte Frust eines Jan Heilwagen über einen vermaledeiten Pfostentreffer eher rührig.
Hallenboden mit bloßen Händen verdroschen
Erfreuliches erspäht der ausschließlich am Rande sitzende Betrachter derweil zwischen den üblichen Verdächtigen wie eben Marvin Schreck, Martin „Ehminator“ Ehm oder Robert Zehmisch auf dem Spielfeld in der Werner-Seelenbinder-Halle in Gestalt von Matthias Krüger, der nach einer gefühlten Verletzungs-Ewigkeit nun wird gänzlich mit an Bord ist, wie denn Trainer Pierre Liebelt verkündet. An Bord, das bedeutet in erster Linie, dass Matthias Krüger auch heute gegen den HSV Ronneburg auflaufen wird.
Und während nun so das Trainingsspiel in den letzten Zügen liegt, steht plötzlich ein Spieler im Türrahmen, der am Sonnabend die Neuauflage des Derbys nur von der Bank aus beobachten wird: Hannes Rudolph. In der Partie gegen Apolda musste er mit Problemen am rechten Knie ausgewechselt werden. Das Schlimmste wurde bereits befürchtet, doch Hannes Rudolph kann – zumindest leichte – Entwarnung geben. Zum einen leidet er noch an einem kleinen Innenbandanriss, zum anderen wurde auch sein vorderes Kreuzband stark verdreht und es hatte zudem noch einen Schlag abgekommen. Er hofft, dass er spätestens gegen Mühhausen wieder in das Geschehen eingreifen kann. „Man muss ja auch einmal Glück haben“, sagt Hannes Rudolph, der mit diesen Worten auch auf seine langwierige Gesichtsverletzung verweist, die ihn die gesamte Rückrunde der Saison 2016/17 ausfallen ließ. Bei einer komplizierteren Verletzung hätte er womöglich auch seine frisch angetretene Lehre zum Zimmermann unterbrechen müssen.
Ronneburg also, na über sechs Jahren – angeblich 2402 Tage – wird es eben jenes Derby zwischen den Kreuzrittern und den Handballern aus der einstigen Bergbaustadt geben. Bei den etwas älteren Akteuren werden diesbezüglich Erinnerungen geweckt. Vorfreude auf ein womöglich intensives Aufeinandertreffen liegt bereits am Donnerstagabend in der Luft, als denn alle Zeichen auf reichlich Sturm-und-Drang stehen – vielleicht ein wenig zu viel, wenn es denn nach dem Coach geht, der dann auf seine Trillerpfeife zurückgreift. Ergo: Unterbrechung. Seine Spieler hätten bei allem Sturm-und-Drang-Gehabe schlichtweg die Verteidigung vergessen, moniert Pierre Liebelt und ruft zur Besonnenheit in Sachen Defensive auf. „Abwehr ist der Wille zum Sieg“, so die Maxime von Pierre Liebelt, der den alten Kalauer, der da besagt, dass ein guter Angriff Spiele gewinnt, eine souveräne Abwehr indes die Meisterschaft, nicht bedienen will.
Dass das Team von Gäste-Trainer Stefan Koska eine längere Pause hatte, könnte durchaus ein Vorteil für sein Team sein, betont Pierre Liebelt, der auch noch einmal an das Weiterkommen im Pokal gegen den HSV Apolda erinnert. Des Weiteren sei HSV-Protagonist Mirko Alexy immer noch gesperrt, was ebenfalls ein ungemeines Plus aufseiten des SV Hermsdorf sein könnte, ist dieser doch der erfolgreichste Torschütze der Ronneburger. Und auch hinter dem Einsatz von Rico Stein steht wohl noch ein recht großes Fragezeichen, da dieser womöglich immer noch verletzt ist.
Blickt Pierre Liebelt indes auf das letzte Spiel des HSV Ronneburg in der Thüringen gegen die 2. Mannschaft des ThSV Eisenach, welches die Ostthüringer 39:41 verloren, verweist er auf zwei geradezu offensichtliche Aspekte. Zum einen sei der heutige Gastgeber äußerst torgefährlich, zum anderen könnten die 41 Gegentreffer ein wahrlich starkes Indiz dafür sein, dass die Abwehr bei den Ronneburgern in schöner Regelmäßigkeit löchrig wie der berühmte Schweizer Käse sei. Dies könnte die quasi Achillessehne des HSV sein. An dieser Stelle greift nun wieder die vermeintliche Maxime des SV-Coach rund um die Abwehr. Pierre Liebelt will aus einer starken Defensive, die als Ausgangspunkt für einfach Tore der Marke Heilwagen fungieren soll, das Spiel gewinnen. Zentrale Protagonisten in den Reihen von Stefan Koska seien laut Liebelt vor allem Christopher Stölzner, der sehr genau wüsste, wo das Tor steht. Dazu würde sich noch ein anderer Christopher gesellen, in diesem Fall jener mit dem Nachnamen Eisenstein. Und auch er könne Tore erzielen.
Auch Jan Heilwagen wirft sehr gerne Tore. Und er ist nach dem Training am Donnerstag mit seinen Gedanken bereits im Hexenkessel in der Zeitzer Straße in Ronneburg. Für ihn sei es das Spiel der Spiele in dieser Saison. Welch ein Glück es dann auch sei, dass ihn sein Muskelfaserriss nicht mehr plagen würde. Obwohl, für die Partie gegen den HSV Ronneburg würde er auch mit Schmerzen auflaufen, sagt der schelmische Publikumsliebling, dem man dergleichen ad hoc abnimmt. „Auf in den Kampf!“, sind dann auch die – vorläufig – letzten Worte des Flügelflitzers, als er abends gen heimische Gefilde aufbricht.
Otz/14.10.2017/Marcus Schulze