Dez 13, 6 Jahren ago

Standesgemäß, aber unspektakulär

28:16 (11:6) siegt der SV Hermsdorf am Sonnabend über den HSV Apolda II

Von Marcus Schulze

Hermsdorf. Probleme sollten angesprochen werden. Mitunter sogar lautstark – und aus vollem Herzen. Und dahingehend war das verbale Agieren – vielleicht sogar Skandieren – einer wahrlich treuen Fan-Seele mehr als nur angebracht. Denn der junge Mann, der stets hochgradig engagiert da auf der Tribüne seinem trommelenden Tagwerk nachgeht, musste seinem Unmut in der ersten Halbzeit lautstark kundtun. Sie sollen sich doch endlich einmal konzentrieren!

Die Adressaten dieses kathartischen Einwurfes waren die Handballer des SV Hermsdorf. Der kathartische Aufschrei bezog sich auf deren mangelnde Chancenverwertung.

Und ja, die Kritik war berechtigt, doch damit war es noch nicht getan, haderte der Fan doch auch mit der Art und Weise der Chancen, schließlich scheiterte der eine oder andere Spieler von Pierre Liebelt geradezu hochästhetisch – entweder an Torwart Sebastian Hausdorff, der der beste Mann bei einem ansonsten wahrlich zahnlos daherkommenden HSV Apolda war, oder eben an jenem Gebilde, das ihn umgab. Viel Kür, viel fürs Auge, aber eben auch recht brotlos. Daher verwunderte es im Nachhinein auch nicht, dass neben der Konzentration auch der „einfache Handball“ seitens des SV-Anhängers lautstark beschworen wurde. Ebenfalls nicht ganz zu unrecht.

Nun war es bei dieser Begegnung am Sonnabend in der Werner-Seelenbinder-Halle nicht so, dass der Gastgeber großartig in Bedrängnis oder gar Rückstand gekommen sei.

Qualität der Würfe war schlecht

Das war nicht der Fall, doch womöglich hatten nicht wenige im Vorfeld darauf gehofft, dass sich das doch recht offensichtliche Kräfteverhältnis – gerade mit Blick auf die Spielkultur – auch im Torverhältnis widergespiegelt hätte. Und das hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch, wenn die eine oder andere Chance in etwas Zählbares verwandelt worden wäre. Ein Hoch auf den Konjunktiv.

„Im Angriff war die Wurfqualität heute einfach zu schlecht, um ein noch deutlicheres Ergebnis zu erzielen. Wir haben uns genug Chancen erarbeitet“, monierte ein immer noch kränkelnder Pierre Liebelt, der außerdem betonte, dass es sich seine Mannen mitunter zu schwer vor dem Tor gemacht hätten. „Wir haben manchmal einfach zu komplizierte Sachen versucht, dabei haben die einfachen Spielzüge wunderbar funktioniert.“

Am Ende sprang ja dann auch ein – nun ja – standesgemäßes Ergebnis mit 28:16-Sieg heraus.

Vielleicht wäre es etwas weniger standesgemäß ausgefallen, wenn der gute Petr Nedved im SV-Kasten nicht gut 20 erfolgreiche Aktionen dargeboten hätte. „Petr war heute wieder richtig stark. Generell war die Abwehr super heute“, resümierte Pierre Liebelt, der auch darauf verwies, dass es nicht so vielen Mannschaften in dieser Saison gelungen sei, unter 20 Gegentoren gegen Apolda II zu bleiben. „Auch wenn sie Tabellenletzter sind, muss man das auch erst einmal schaffen“, ergänzte Pierre Liebelt.

Der Fokus werde auch weiterhin auf die Abwehrarbeit gelegt, schließlich sei sie der Schlüssel zu den einfachen Toren, würde seine Spieler aus jener Bredouille befreien, etwas Kompliziertes zu probieren.

In der 22. Spielminute hatte sich das Team von Pierre Liebelt einen ansehnlichen Vorsprung von sechs Toren (10:4) erarbeitet – dank unter anderem dem unverwüstlichen Maximilian Remde, Jan Heilwagen, Sebastian Hammer, Martin Ehm und Hannes Rudolph. Beim Treffer von Rudolph, der das 8:3 für die Holzländer markierte, war die Begeisterung besonders groß, schließlich packte der Mann, der seine Haare anlässlich eines Spiels stets zur Zwiebel formt, nach einer seiner berüchtigten und langen Fugphasen noch ein besonderes Kabinettstück in Sachen Torwurf aus.

Rudolph mit reichlich Swag

Rudolph versah den Ball mit ausreichend Effet, sodass er sich hinter dem Torwart auf dem Boden wie von Zauberhand hinein drehte. Das hatte mal so richtig Swag, wie ein junger Mensch heute sagen würde.

Größer war der Torjubel womöglich nur im zweiten Durchgang, als ein gewisser Stefan Riedel einen Ball – dabei mit Rücken zum Tor stehend – empfing, um sich dann ad hoc und hochdynamisch um 180 Grad drehte und das kleine Leder ins Tor beförderte. Eine Bewegung wie aus einem Guss – und das mit 37 Jahren. Die Anwesenden feierten das Urgestein, genau wie Ralf Kühne am Mikrofon, der irgendwo zwischen Michael Buffer und Herbert Zimmermann verortet werden muss.

Der Treffer von Stefan Riedel, es war das 14:8, fiel dann auch in jener Phase der Partie, in der sich die Hausherren eindruckvoll absetzen konnten und sich einen Vorsprung von elf Treffern – 12:8 auf 19:8 – in gut elf Minuten erarbeiteten. Danach, wir schreiben die 43. Spielminute, war eigentlich alles entschieden.

Ach ja, die Stimmlage des quasi Edel-Fans bei seiner Kritik hatte, mit Blick auf die Tonlage, etwas von jenem Rocker, der am Ende des Films „Werner Beinhart“ mal so richtig durchdreht. Da ging es aber nicht um Handball. Stichwort: Ananas.

SV Hermsdorf: Rudolph (1), Schreck (2), Reis, Riedel (1), Nedved, Hammer (3), Heilwagen (3), Ehm (6), Zehmisch, Friedrich (3), Csikos (1), Remde (7), Krüger, Minas (1)

Otz/Marcus Schulze/12.12.2017

Hier noch der nachgelieferte Vorbericht vom 09.12.2017/ OTZ / Marcus Schulze

Die „Wundertüte“ nicht unterschätzen

Auch wenn der HSV Apolda II ein eher prekäres Dasein am Tabellenende fristet, gibt sich SV-Trainer Pierre Liebelt vor der Partie eher umsichtig

Von Marcus Schulze

Hermsdorf. Phrasen sind im Sport allgegenwärtig. Ja, sie sind ein fester Bestandteil des Phänomens – und zwar Genre übergreifend. Diesbezüglich unterscheiden sich die wortführenden Protagonisten nicht großartig voneinander. Gleich ob Fußballer, Volleyballer oder Handballer. Fast hat es den Anschein, dass irgendwo in irgendwelchen Statuten in Stein gemeißelt steht, dass immer dann, wenn sich denn eine Mannschaft mit der römischen Variante der Zwei die Ehre gibt, reflexartig von der „Wundertüte“ gesprochen werden muss. Eine nebulöse, kaum greifbare Aura umgibt diese Mannschafte, äh Wundertüten, so dass mancher Trainer bereits im Vorfeld einer Partie an der großen Unbekannten verzweifelt. Denn da, wo eine zweite Mannschaft aufläuft, ist die Gefahr allgegenwärtig, dass sich denn Spieler aus der ersten Garnitur – übrigens noch so eine Wortschöpfung in Sachen Sport – zwischen die Reihen der B-Variante geschummelt haben. Manche ereilt dieses Schicksal, weil sie nach langer Verletzung endlich wieder etwas Praxis benötigen, andere wiederum sind schlichtweg zu schlecht für das mitunter gnadenlose Haifischbecken mit der römischen Eins dahinter, die – ähnlich wie in der Mathematik – nicht angezeigt wird.

Es spricht nun einiges für den SV-Trainer Pierre Liebelt, dass er mit Blick auf die heutige Partie gegen den HSV Apolda II nicht ein einziges Mal von der Wundertüte spricht. Der Terminus fehlt in Gänze bei seiner Betrachtung. Natürlich, Liebelt verweist auch auf die strukturellen Gesetzmäßigkeiten, ist sich darüber im Klaren, dass denn durchaus der eine oder andere HSV-Akteur ins Geschehen eingreifen könne. Grundsätzlich zumindest. Doch heute spricht eine Sache geradezu elementar dagegen: Die erste Belegschaft muss im Rahmen der Mitteldeutschen Oberliga nach Naumburg reisen, wo sie denn auf den HC Burgenland trifft. „Dennoch dürfen wir sie nicht unterschätzen“, warnt Pierre Liebelt, der an dieser Stelle – zum einen – auf die wahrlich prekäre Tabellensituation der Apoldaer verweist, harren sie doch auf dem letzten Tabellenrang in der Thüringenliga derzeit aus. Zum anderen, schließlich ist jeder Trainer auch ein ausgesprochener Empiriker, erinnert Pierre Liebelt an die letzte Partie der heutigen Gäste gegen den ThSV Eisenach II. Denn als am vergangenen Spieltag quasi Wundertüte auf Wundertüte traf, wobei die Tüte aus der Wartburgstadt oben mitmischt, trennten die Handball-Tüten am Ende lediglich vier Tore – 32:28. Und auch wenn die Eisenacher Tüte zwischenzeitlich haushoch mit acht Zählern führte, konnte doch das Pendant aus Apolda zweimal auf ein Tor (20:21/21:22) Differenz verkürzen.

Außerdem weiß man ja aufseiten des SV Hermsdorf darum, wie schwierig denn solche vermeintlichen Underdogs mitunter zu besiegen sind, wenn man sich denn nur einmal an die Reise nach Altenburg vor über zwei Monaten erinnert. Am Ende machte in allerhöchster Not Maximilian Remde den Unterschied.

Vladut-Razvan Vlad an Schulter operiert

Die Hauptrolle im Spiel der Apoldaer hat indes ein Brüderpaar inne – Volker und Lucas Goldmann. Volker, der sechs bis zehn Tore pro Begegnung erzielt, sollte ja eigentlich in dieser Saison zum SV Hermsdorf wechseln. Wie gesagt, sollte.

Ob er denn heute überhaupt seinen Pflichten da an der Außenlinie nachkommen kann, konnte Pierre Liebelt am Freitagvormittag noch nicht beantworten. Plagt den Coach doch eine hartnäckige Erkältung. Erst am Vormittag des Sonnabends will er sich diesbezüglich endgültig festlegen. Sollte er indes auf der heimischen Couch bei Tee und Lutschpastillen samt dicker Decke und bereits aufgestellten sowie geschmückten Weihnachtsbaum verweilen, wird Mario Kühne das Kommando da an der Außenlinie übernehmen und muss nicht da oben auf der Empore angespannt und unruhig verweilen.

Das gleiche Schicksal wie Pierre Liebelt teilt dann auch Torwart und Kapitän Robert Zehmisch. Er sei ebenfalls verschnupft. Darüber hinaus plagen Felix Reis Schmerzen in seinem linken Fuß. Erfreuliches gibt es indes von Vladut-Razvan Vlad zu berichten, der am Donnerstag seine Operation an der Schulter gut überstanden haben soll, wie denn Pierre Liebelt berichtet. Frühestens im März kommenden Jahres wird er jedoch erst wieder in das Trainingsgeschehen eingreifen können.

Eine Weihnachtsfeier gab es bereits beim SV Hermsdorf. Der Trainer berichtet dann auch stolz, dass er da etwas Lesbares, ein Buch, beim Wichteln ergattert hat, welches den Titel „Is this real? Zur Kultur des HipHop“ trägt. Und da ging dem bekennenden Hip-Hop-Fan Liebelt – unter anderem Blumentopf, Freundeskreis, Wu-Tang Clan oder Mos Def – natürlich das subkulturelle Herz auf.

Bleibt am Ende eigentlich nur noch die Frage, wer denn womöglich der Absender dieser wissenschaftlichen Abhandlung aus der edition suhrkamp gewesen sein könnte. Das musikalische Ausschlussverfahren mit Blick auf die stimmigen Vorlieben der SV-Protagonisten lässt zumindest den durch und durch logischen Schluss zu, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass denn Martin Ehm jenes popkulturelle Präsent kredenzt hat. Aber wer weiß?

Ach ja, auch für die Fans wird es seitens der SV-Weihnachtsmänner die eine oder andere Überraschung geben. Eine davon soll es sogar richtig in sich haben. Doch mehr wollte der Trainer diesbezüglich noch nicht verraten. Ergo: vorbeikommen lohnt sich. Vielleicht sogar im doppelten Sinn.

SV Hermsdorf vs. HSV Apolda II, Sonnabend, 19.30 Uhr, Werner-Seelenbinder-Halle

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