Über weite Strecken dominiert der SV Hermsdorf das Derby gegen den HBV Jena 90, verliert jedoch am Ende unglücklich mit 32:31
Von Marcus Schulze
JENA Martin Ehm nahm auf der riesigen Tribüne Platz. Jedoch nicht auf einer der blauen Sitzschalen, nein, der Ehminator begnügte sich mit der Treppe. Irgendwo oben, Hauptsache sitzen, womöglich noch ein paar flüchtige Impressionen der zweiten Partie der Handball-Arena zwischen dem SC DHfK Leipzig und den Füchsen Berlin genießen – wenn denn Letzteres für ihn überhaupt im Bereich des Möglichen lag. Der Rückraum-Akteur hätte in jener Phase problemlos zum gemütlichen Teil übergehen können, doch die Frohnatur in den Reihen des SV Hermsdorf blickte in diesen Momenten eher desillusioniert aus der Wäsche. Das Dargebotene in jenem Sportareal, in dem ansonsten die Science-City-Akteure ihrem Tagwerk nachgehen, degradierte er zur Nebensache. Und damit war er wohl nicht der einzige SV-Spieler an diesem späten Nachmittag am vergangenen Sonntag.
Dass der Spieler mit der Nummer 15, dessen Gesichtsausdruck geübte Fernsehrezipienten der 90er-Jahre mitunter an einen gewissen Al Bundy erinnern kann, eher Trübsal blies, war zweifelsohne dem Ausgang des Derbys mit dem HBV Jena 90 geschuldet. Das hatten die Kreuzritter mit 32:31 verloren – und zwar in den letzten Sekunden. Das war die eine Seite der Medaille. Die andere war, dass der SV Hermsdorf über weite Strecken die Partie dominierte und in Führung lag. Was die Niederlage noch einen Zacken bitterer schmecken ließ.
Über die eigentlichen Erwartungen gespielt
„Aus meiner Sicht haben wir heute weit über den eigentlichen Erwartungen gespielt. Ich hätte nicht gedacht, dass wir heute eine so starke Leistung abliefern“, resümierte Martin Ehm, der auch auf die herausragende Leistung der Abwehr und vor allem von Petr Nedved verwies. Ohne dergleichen hätte sich das Geschehen wohl ganz anders gestaltet. „Man darf aber ein Spiel, welches nur noch 90 Sekunden andauert und bei dem wir mit zwei Toren in Führung liegen, nicht mehr aus der Hand geben“, schob Martin Ehm umgehend hinterher. Jena habe die Zeitstrafe von Marvin Schreck (59.) clever genutzt, habe gedankenschnell reagiert – und somit auch, durch die Treffer von John Le und Juraj Petko, gewonnen. „Wir hatten mit unserem letzten Angriff beim Stand von 31:31 die Möglichkeit, die Halle mit einem Unentschieden zu verlassen. Doch wir wollten auf Sieg spielen“, erläuterte Martin Ehm.
In jenen letzten Sekunden mutierte Felix Reis zum Pechvogel des Derbys, er verlor während eines Dribblings, bei dem er bereits an Juraj Petko vorbeigezogen war, den Ball – und damit konnte Jena eben jenen Angriff einleiten, der die Niederlage vom SV Hermsdorf besiegelte.
Ein gewisse Tragik lässt sich in diesem Fall nicht von der Hand weisen, gerade mit Blick auf den ersten Akt, als sich die Handballer aus dem Holzland auf fünf Tore (16:11/26.) absetzen konnten. Das Team von Trainer Pierre Liebelt musste während der ersten 30 Minuten keinem Rückstand hinterherrennen, es war stets der HBV, der unter Zugzwang stand. Zwar konnten die Spieler von Coach Ralph Börmel anfangs stets noch egalisieren (1:1/2:2/3:3/5:5), doch danach setzte sich der SV Hermsdorf ab. Pausenstand 17:14.
Als der zweite Handball-Akt knapp vier Minuten alt war, gelang Jena der Ausgleich (17:17) – und ab diesem Zeitpunkt wurde es – Achtung Floskel – ein offener Schlagabtausch, konnte sich doch keines der beiden Teams zwingend absetzen. Einem oftmals hauchdünnen Vorsprung folgt ad hoc die Egalisierung. So auch der Fall, als sich die Hermsdorfer ein Polster von drei Toren erspielen (25:22/47.) konnten, gut vier Minuten später war dergleichen Geschichte. Was folgte, war der große Auftritt von Jan Heilwagen, der mit seinen Treffern – in der für ihn typischen Manier – sein Team und die SV-Schlachtenbummler auch weiterhin vom Sieg träumen ließ. Doch die Retourkutsche folgte umgehend, Jena dachte gar nicht daran, klein beizugeben. In der 58. Minute konnte Marvin Schreck noch einmal den Vorsprung auf zwei Zähler (31:29) erhöhen, doch zwei Treffer von Jenas John Le mischten die Handball-Karten neu – und dann verlor Felix Reis den Ball und Juraj Petko tauchte allein vor dem SV-Gehäuse auf…
„Wir haben 58 Minuten fasst alles richtig gemacht, doch am Ende gelang es uns nicht, uns zu belohnen“, resümierte Pierre Liebelt am Montag, der nach der Partie mit versteinerter Miene ebenfalls auf der Tribüne saß – jedoch auf der anderen Seite als Martin Ehm. Jena habe äußerst glücklich gewonnen, so der SV-Coach weiter, der auch auf eine Aussage seines Trainer-Pendants Ralph Börmel verwies, der an jenem Spieltag den Handball-Gott auf seiner Seite gewusst haben wollte. „Wir wollten auf Sieg spielen. Ich kann Felix Reis keinen Vorwurf machen. Wenn er getroffen hätte, wäre er der Held gewesen“, so Pierre Liebelt weiter, der zum Abschluss noch betonte, dass sich die Niederlage nicht wie eine solche angefühlt habe.
Und der Ehminator? Tja, der bewertete den unglücklichen Ausgang des Derbys wie folgt: „Das ist geradezu symptomatisch für die bisherige Saison.“
SV Hermsdorf: Rudolph (7), Schreck (4), Reis (5), Nedved, Hammer (4), Heilwagen (6), Ehm (3), Zehmisch, Friedrich, Csikos, Remde, Krüger (1), Minas (1)
Otz/Marcus Schulze/30.01.2018