Feb 6, 7 Jahren ago

Siegreiche Teilrasur

Die Handballer des SV Hermsdorf schießen sich gegen den LSV Ziegelheim mit ihrem 32:25-Sieg den Frust von der Seele–allen voran Felix Reis

Von Marcus Schulze

HERMSDORF Zuerst präsentierte Felix Reis nur eine Faust. Er übte sich sozusagen noch in Zurückhaltung. Die gen Himmel – oder gen Hallendach – gestreckte Faust kam noch etwas verhalten daher. Der Grund für dieses ballende Unterfangen war indes dem Umstand geschuldet, dass Felix Reis in der 14. Spielminute sein zweites Tor zum 7:6 erzielte. Darüber hinaus gebührte ihm auch der erste Treffer des SV Hermsdorf.

Doch mit der Zurückhaltung war es spätestens in jenem Moment vorbei, als er zum 12:9 traf. Da präsentierte e er beide Fäuste – und die Zuschauer konnten dabei zuschauen, wie der Ballast des Spiels gegen Jena, welchen er die Woche über wie eine Gefängniskugel mit sich herumschleppte, plötzlich abfiel. 90 Sekunden zuvor hatte er in seiner unnachahmlichen, den Gesetzen der Schwerkraft trotzenden Art dem Gegner zum 11:9 eingeschenkt. Das war bereits sein vierter Treffer. Doch es war Numero fünf kurz danach, die die endgültige Erlösung brachte. Mit diesem Tor fand Felix Reis zur Leichtigkeit des (Handball)-Seins zurück und war – zumindest in sportlicher Hinsicht – wieder glücklich.

„Ich habe ihm vor der Begegnung gesagt, dass ich von erwarte, dass er im Rückraum gerade hochspringt und wirft. Er soll sich nicht in Eins-gegen-eins-Situationen aufreiben, sondern seine Sprungkraft ausspielen, schließlich war er ja einmal Hochspringer“, sagte SV-Trainer Pierre Liebelt nach der Partie gegen den LSV Ziegelheim. Gerade in der ersten Halbzeit habe ihn die Leistung des 20-Jährigen vollends überzeugt, der an diesem Abend in Gänze neun Tore erzielte.

Den Gesetzen der Schwerkraft getrotzt

Bis zur 18. Spielminute (9:9) war es jedoch eine äußert ausgeglichene Partie. Anfänglich konnten auch die Gäste aus dem Altenburger Land die Minimal-Führung von einem Tor übernehmen, konnten sich in der 9. Spielminute sogar auf zwei Treffer (6:4) absetzen. Erst nach besagter 18. Minute begannen die Kreuzritter, das Geschehen zu dominieren, und führten temporär mit vier Toren (15:11/27.)

Nach dem obligatorischen Gang in die Kabinen, für die einen, zum Bierstand, für die anderen, ließen die Spieler von Pierre Liebelt die Ziegelheimer noch einmal hoffen. Nach dem Wiederanpfiff beim Stand von 15:13 kamen diese den Hausherren noch zweimal – 15:14/32. und 16:15/33. – gefährlich nahe. Letztendlich war es nur eine flüchtige Momentaufnahme, denn Hannes Rudolph, der unverwüstliche Mathias Krüger am Kreis, der auch auf der Bank seine Stimme nicht schonte, sodass man ihm – Achtung Wortspiel – ein Krügerol-Halsbonbon hätte reichen wollen, sowie Felix Reis, Jan Heilwagen, Maximilian Remde und der fleißige Marvin Schreck bauten den Vorsprung auf formidable sieben Treffer (23:16/41.) binnen acht Minuten aus. Und es war eben jene entschlossene und auch recht unbeschwerte Sturm-und-Drang-Phase, die den späteren Sieg und die überbordende Jubelorgie der treuen Trommler gut zwei Minuten vor Abpfiff einleiten sollte. Endstand: 32:25.

Doch drehen wir die Uhren noch einmal zurück. Am Donnerstag nach dem Training lag Hannes Rudolph auf der Bank, ließ sich von Holger Posse die Schulter justieren und betonte im Liegen, dass man den LSV Ziegelheim, auch mit Blick auf das verlorene Hinspiel, rasieren werde. Rasieren bedeutet, wenn denn Sportler im Vorfeld einer Begegnung davon reden, dass man den Gegner nicht einfach nur irgendwie besiegen möchte. Nein, man möchte ihn in seine Schranken weisen und sich hochgradig revanchieren. So eine Rasur spiegelt sich dann im Idealfall in einem äußerst deutlichen Torverhältnis wider. „Nein, das war heute keine richtige Rasur. Da hätten wir mit mindestens zehn Toren Vorsprung gewinnen müssen“, resümierte Hannes Rudolph. Dergleichen sei durchaus im Bereich des Möglichen gewesen, doch dafür habe man zu viele Optionen nicht genutzt, führte Rudolph weiter aus. In diesem Fall habe es sich eher um eine Teilrasur gehandelt, wenn auch um eine äußerst erfolgreiche.

Pierre Liebelt sah das ein wenig anders, sieben Tore würden durchaus eine deutliche Sprache sprechen. „Ziegelheim ist ein Gegner, der niemals aufgibt“, erinnerte der Trainer, der jedoch mit dem Defensivverhalten seines Teams vereinzelt haderte. Gleiches galt für die Chancenverwertung. Nichtsdestotrotz sei es seiner Mannschaft gelungen, sich viele freie Chancen herauszuspielen. „Das war wirklich gut. Im Angriff hat jeder sein Soll erfüllt. Auch die Kampfbereitschaft hat gestimmt“, relativierte Liebelt seine Kritik, der auch auf das phasenweise sehr effektive und eben auch schnelle Konterspiel seiner SV-Protagonisten verwies. Dass der Gegner während der letzten fünf Minuten noch einmal auf vier Tore verkürzen konnte, sei nicht weiter tragisch gewesen, da der Sieg in keinem Moment gefährdet war.

Und Felix Reis? Der strahlte am Ende erleichtert bis über beide Ohren und kommentierte das Ergebnis sowie seine eigene Leistung mit einem lakonischen, aber durch und durch zufriedenen: „Geil!“

SV Hermsdorf: Rudolph 5, Schreck 3, Reis 9, Nedved, Hammer 2, Heilwagen 3, Ehm 1, Zehmisch, Friedrich, Csikos 2, Remde 3, Krüger 3, Minas 1

Otz/Marcus Schulze/05.02.2018

Und der Vorbericht vom 03.02.2018

„Wir dürfen uns keine Fehler mehr erlauben“

Das sagt Felix Reis vor der heutigen Partie gegen den LSV Ziegelheim. Die Woche über haderte er noch mit seinem Fauxpas gegen Jena.

Hermsdorf. Eigentlich stehen alle Zeichen bereits auf Feierabend. Zumindest suggeriert dergleichen die Uhr in der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf am Donnerstagabend. Eigentlich, doch auch gut eine Viertelstunde nach dem eigentlichen Zapfenstreich in Sachen Training sind noch ein paar SV-Protagonisten mit reichlich Elan bei der Sache – und das an einem Donnerstag, an dem nach der Übungseinheit stets etwas Essbares für die Handballer aufgetafelt wird. Dafür ist immer ein Teammitglied oder ein Betreuer verantwortlich. Dieses Mal stehen Würstchen mit Nudelsalat auf der Karte.

Auf der Karte: Würstchen und Nudelsalat

Doch in jenen Momenten juckt das die Handballer noch nicht sonderlich, gerade die jüngeren Akteure in den Reihen von Pierre Liebelt üben sich noch ein wenig im Torwurf. Auf der einen Seite der Halle Sebastian Hammer und Jan Minas – sowie Pierre Liebelt und ein Dummie –, auf der anderen Tom Friedrich und Felix Reis. Letzterer scheint seinen spielerischen Fauxpas in der Partie gegen den HBV Jena 90 am vergangenen Sonntag verdaut zu haben. Zumindest hat es den Anschein, denn niedergeschlagen wirkt er nicht. Ganz anders als am Sonntag, als er fast schon teilnahmslos dem Spiel zwischen dem SC DHfK Leipzig und den Füchsen Berlin beiwohnte und mit dem Ausgang des Derbys sichtbar haderte.

Nein, am Donnerstag lacht er, freut sich über einen erfolgreichen Distanzschuss sowie über einen gehaltenen Ball, dessen Absender Tom Friedrich ist. Danach nimmt er eine hiphop-artige Jubelpose ein. Kann ja nicht schaden, der berühmt-berüchtigte Handball-Fasching steht ja vor der Tür. Besonders ein SV-Akteur zählt schon ungeduldig die Tage und bringt sich – Achtung: Insiderwissen – dafür auch in Form. Natürlich auch für den Sport. Welcher Handball-Barde das nun ist, wird an dieser Stelle nicht verraten. Nur eines: Felix Reis ist es nicht.

Er wird natürlich auch bei besagter Pflichtveranstaltung zugegen sein. Es ist ja ein Muss, ein quasi ungeschriebenes Gesetz. Wer an jenem Tag etwas anderes im Terminkalender stehen hat, muss sich beim vermeintlichen Narren-Rat, dabei handelt es sich jedoch nur um eine Person, vor versammelter Mannschaft rechtfertigen. Jahrestage mit der Liebsten etwa, die mit besagtem Termin kollidieren, werden von besagtem Party-Diktator mit roter Nase zu einer regelrechten Nichtigkeit degradiert. Doch das nur am Rande, schließlich geht es hier um Felix Reis – und der hatte die Woche über andere Sorgen.

„Mein Fehler beschäftigt mich auch jetzt noch“, sagt der 20-Jährige und lässt noch einmal die Situation Revue passieren. „Ich hätte da einfach cleverer agieren müssen. Ich war mit dem Kopf schon beim Wurf gewesen“, schiebt er hinterer. Doch er weiß, dass übermäßiges Reflektieren nicht gerade von Vorteil ist, gerade wenn das nächste Spiel bevorsteht. „Ich muss es nun abhaken und mich auf Ziegelheim konzentrieren“, sagt der Rückraumspieler entschlossen, der jedoch auch darauf verweist, dass die Partie in der Arena in Jena 59 Minuten schlichtweg klasse war. Das Spiel, die Atmosphäre, da habe alles gestimmt – lediglich der Ausgang nicht.

Doch generell ist Felix Reis mit seiner bisher dargebotenen Leistung in dieser Saison nicht sonderlich zufrieden. „Mir fehlt die Konstanz“, bilanziert er selbstkritisch. Er habe sich im Vorfeld schon etwas mehr erhofft – für sich, aber auch für das gesamte Team. Nichtsdestotrotz, auch das betont er, gab es auch in der Thüringenliga gute Momente. Felix Reis erinnert an die Begegnung gegen den HSV Ronneburg. Da war er mit seinen finalen Treffern das Zünglein an der Waage. „Es war knapp, aber wir haben es gewonnen.“ Aber ja, der SV Hermsdorf liege mit Tabellenplatz 7 derzeit zweifelsohne hinter den Erwartungen. Sie hätten schlichtweg zwei, drei Spiele zu viel verloren, resümiert das SV-Eigengewächs. „Doch die Saison ist noch nicht zu Ende. Wir können das alles noch richten, doch wir dürfen uns ab jetzt keine Fehler mehr erlauben“, so Reis weiter.

Vor der Saison durchaus mehr ausgerechnet

Und gerade heute gegen den LSV Ziegelheim habe man etwas gutzumachen, schließlich verlor Hermsdorf gegen die Handballer aus dem Altenburger Land 27:33 – und damit hatte im Vorfeld wohl niemand ernsthaft gerechnet. „Ich gehe positiv in das Spiel. Wir haben die Woche über gut trainiert, auch wenn nicht alle da waren. Der Spaß ist uns jedenfalls nicht abhandengekommen“, sagt Felix Reis.

Nun ist es so, dass der Name Felix, der aus dem Lateinischen kommt, so viel wie „der Glückliche“ bedeutet. Es gab in dieser Saison auch jenseits des Derbys gegen Jena Begegnungen, nach denen Felix Reis alles andere als eben glücklich dreinblickte. Nein, es gehört wohl nicht zu den Stärken des jungen Mannes, seine innere Gefühlslage zu überspielen. Doch der Handballer weiß sehr genau, was denn geschehen muss, damit er heute Abend lachen kann. „Wir müssen siegen, denn siegen macht einfach nur Spaß.“

Otz/ Marcus Schulze / 03.02.18

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