Feb 12, 5 Jahren ago

Eine RFT-Anlage zur Jugendweihe

Seit 25 Jahren steht Holger Posse als Masseur in den Diensten des SV Hermsdorf. Außerdem hat er das Kommando über die Musik in der Halle

Hermsdorf. Am Anfang war Major Tom . „Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschiff…“ Fragt man Holger Posse nach seiner ersten bewussten musikalischen Erinnerung, präsentiert er nach einer kurzen Phase des Sinnierens jenen Titel aus dem Jahr 1983 von Peter Schilling , der zum engeren Kanon der Neuen Deutschen Welle gezählt werden kann, ja muss.

Beim Kinderfasching in der Schule hatte der Masseur, DJ und auch temporäre Hallensprecher der Handballer des SV Hermsdorf sein Schlüsselerlebnis in Sachen Musik.

„Ich stand am DJ-Pult, war regelrecht hin und weg von dem Song, den ich dann noch tagelang im Ohr hatte. Gleichzeitig war es ein toller Anblick, wie alle dazu abgehottet haben“, erinnert sich Holger Posse. Gleichzeitig dämmerte dem Grundschüler in jenem Moment, dass er so etwas auch einmal machen möchte. „Ich fand das alles ziemlich cool, wie der DJ so seine Ansagen brachte und das Heer von Kassetten, über das er wachte“, sagt Holger Posse, der seit nunmehr 25 Jahren zum quasi Inventar der Kreuzritter gehört – nicht ausschließlich als Masseur, doch mit dieser Berufung fing alles einmal an.

Im Januar 1994 gab es seitens des SV Hermsdorf eine Anfrage an Holger Posse und seine Chefin Stephanie Witzel . Die damalige Physiotherapeutin des SV Hermsdorf blickte Mutterfreuden entgegen, ihre Stelle war vakant. Der damalige Co-Trainer Lutz Klecha wendete sich daraufhin an die Chefin von Holger Posse, die jedoch just in jenen Stunden nicht in der Praxis in der Bergstraße in Hermsdorf vor Ort war – und so entschied Holger Posse kurzerhand über ihren Kopf hinweg. „Ich sagte, dass wir beim nächsten Heimspiel die Spieler betreuen werden“, erinnert sich der 44-Jährige, der in Jena das Licht der Welt erblickte und heute – wie damals — in der Physiotherapie im Citypoint in Hermsdorf unter Stephanie Witzel als Masseur arbeitet.

Am 29. Januar 1994 saß Holger Posse nun erstmals mit auf der SV-Bank. Die Kreuzritter trafen in den heimischen Gefilden auf Hermannia Kassel . „Ich war sofort Feuer und Flamme. Mir hat das richtig viel Spaß gemacht. Ich war auch von der ganzen Atmosphäre beeindruckt, die Spieler, die Zuschauer“, schwärmt er, zumal der SV Hermsdorf als Sieger das Feld verließ. Gleichzeitig war es das erste Handballspiel, dem Holger Posse in seinem Leben beiwohnte.

Und weil es ihm so gut gefiel, schlug er dann auch aus gänzlich freien Stücken in der kommenden Woche beim Training des SV Hermsdorf auf. Dergleichen kam gut an. Als er vier Woche später seinen 20. Geburtstag feierte, erhielt er vom Team einen SV-Trainingsanzug. Ein symbolischer Akt, ja, ein regelrechtes Initiierungsritual, von nun an war Holger Posse als Masseur mit an Bord, gehörte zum erlesenen Kreis der Kreuzritter. „Das war ein sehr schönes Gefühl.“

In seiner Funktion als Masseur hat er in all den Jahren vieles gesehen. Kreuzbandriss oder Achillessehnenriss, natürlich. Da könne man nicht viel machen, erläutert Posse und berichtet dann umgehend von einer ausgerenkten Kniescheibe, die er dann auch wieder erfolgreich in die Ausgangsposition bringen konnte. Der schwerste Vorfall, dem er beiwohnte, war ein Verdacht auf eine Halswirbelverletzung. Das Spiel musste damals eine gefühlte Ewigkeit unterbrochen werden.

In der 9. Klasse erstmals als DJ aufgetreten
Nun darf man Holger Posse nicht ausschließlich auf sein Masseurs-Amt reduzieren, vielmehr steht er seit gut zwei Jahren auch in schöner Regelmäßigkeit auf jenem kleinen Balkon in der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf und hat das Kommando über die Musik inne. Er gab zudem phasenweise auch den Hallensprecher, als denn Ralf Kühne aus gesundheitlichen Gründen verhindert war. Holger Posse fackelte gar nicht erst lange, übernahm kurzerhand die Moderation bei den Heimspielen. Die einzige Bedingung, die er damals im September 2016 stellte, war, dass man ihm jemanden an die Seite stellt, der ihm souffliert, da sich ihm aufgrund seiner geringen Sehkraft nur bedingt das Spielgeschehen erschließt. Schon in frühen Kindheitstagen zeichnete sich eine Sehbeeinträchtigung ab, sodass er ab seinem fünften Lebensjahr die Diesterwegschule Schule in Weimar besuchte, eine Bildungseinrichtung für Heranwachsenden mir Sehbehinderung.

Eine zweite Bedingung seitens Holger Posse war, dass die medizinische Betreuung während der Heimspiele abgesichert ist, wenn er oben auf der DJ-Kanzel steht. Seitdem liegt die Betreuung der Spieler während der Heimspiele in den Händen von Götz Bader . Und so steht nun Holger Posse bei den Heimspielen auf dem Balkon, während er bei den Auswärtsterminen als Masseur mit auf der Bank sitzt. „Das hat sich alles ganz gut eingespielt“, sagt Posse, der auch das statistische Gedächtnis der Kreuzritter ist. Spiele, Tore und ähnliches Zahlenwerk hat er gewissenhaft in einem Buch verewigt.

Die Vita von Holger Posse wäre jedoch nicht in Gänze erzählt, wenn man nicht noch einmal das weitläufige Feld namens Musik streifen würde. Musik und Holger Posse gehören zusammen wie Pech und Schwefel.

Begeisterung ist allgegenwärtig, wenn er über seine musikalische Sozialisation spricht. Nach besagter Schul-Disco rund um Major Tom schnappte er sich zu Hause den Kassettenrekorder seiner Eltern und begann damit, alles Mögliche aufzunehmen. Da das kein Dauerzustand war, kauften Mama und Papa ihrem musikbegeisterten Filius ein eigenes Gerät. Der Ritterschlag in Sachen Musikkonsumierung kam schließlich mit der Jugendweihe, als er von seinen Eltern seine erste Anlage – natürlich RFT – geschenkt bekam. „Meine Eltern haben damals viel Geld investiert.“

Musik war im Hause Posse allgegenwärtig, das Radio lief in einer Tour, insbesondere am Freitagabend, als denn die Charts auf Bayern 3 präsentiert worden. Bereits als Dreijähriger habe er in der Plattensammlung seines Bruders gewühlt und es sich mit Kopfhörern vor dessen Schallplattenspieler bequem gemacht. Auch das Artwork der Plattencover habe ihn von klein auf fasziniert.

In der 9. Klasse übernahm er erstmals das Musik-Kommando bei einer Party, ist zudem seit 1995 für die Beschallung beim berühmt-berüchtigten Handball-Fasching in eben Hermsdorf verantwortlich. Der Schallplattenunterhalter bezeichnet sich selbst als Kind der 80-Jahre. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Depeche Mode bei ihm ganz hoch im Kurs stehen. „Das ist die Band, die mich nun schon mein ganzes Leben begleitet“, sagt er über Dave Gahan , Martin Gore und Andrew Fletcher . New Wave und Punk sind die bevorzugten Genres von Holger Posse. Doch auch zeitlosen Giganten wie Pink Floyd, Neil Young oder Dire Straits kann er sehr viel abgewinnen, aber auch DAF, Tocotronic, Fehlfarben, Duran Duran , The Smiths, The Cure, Joy Division oder Tears for Fears.

Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, das sich Holger Posse irgendwann auch in Sachen Musik bei den Kreuzrittern tatkräftig einbrachte. Anfangs stellte er noch CDs für die Kabine und auch für die Auswärtsfahrten zusammen. Irgendwann machte er sich dann auch über die Einlauf-Musik für die Kreuzritter Gedanken, bastelte kleine Collagen mit seinem Minidisc-Recorder. Die Musik wechselte natürlich im Laufe der Jahre. Eine kleine Ewigkeit liefen die Handballer aus dem Saale-Holzland-Kreis zu den Klängen von „Misirlou“ von Dick Dale aus dem Film „Pulp Fiction“ von Quentin Tarantino aus dem Jahr 1994 ein. Doch damit nicht genug, kreierte Holger Posse doch ab 2010 auch Werbesports, welche er auch höchstpersönlich einsprach.

Auch die zünftige Ansage rund um Dampfhammer und Scheitel von Bud Spencer war eine Idee von ihm. Das bekannte Zitat, welches aus dem Film „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ stammt, kredenzt er immer dann, wenn es auf der Platte etwas zu rustikal zur Sache geht. „Als DJ muss man reagieren, muss sehr intuitiv und auch wach sein“, erläutert Holger Posse. Ein halbes Jahr habe er benötigt, um sich in sein Amt auf dem Balkon einzufinden.

Er sei generell kein Dogmatiker, spiele auch Songs und Interpreten, denen er privat nichts abgewinnen kann, die aber das Publikum hören möchte.

Was die Vorlieben der aktuellen SV-Protagonisten betrifft, hat Holger Posse diverse Grüppchen ausgemacht. Da wäre zum einen die Muna-Fraktion, die jene elektronischen Klänge bevorzugt, die in dem Club in Bad Klosterlausnitz das musikalische Geschehen dominieren. Dann gebe es jene, die Hip-Hop und Rap bevorzugen würden. Dazu gesellt sich jene Gruppierung, die das aktuelle Chartgeschehen verfolgt und auch eine Schwäche für die Hits der 90er-Jahre besitzt. Und dann gebe es eben noch Martin Ehm mit seiner ausgeprägten Vorliebe für Kirmes- und Après-Ski-Kracher.

Depeche Mode nachhaltigste Band
Letztlich spielt es für Holger Posse keine Rolle, ob er als Masseur oder DJ beim SV Hermsdorf in Erscheinung tritt, beides bereite ihm Freude, denn der Verein ist für ihn weit mehr als nur ein simpler Sportverein. „Er ist wie eine Familie für mich“, sagt Holger Posse.

Ach ja, die aktuelle Einlauf-Musik, sofern sie nicht von der Stimme von Ralf Kühne gnadenlos übertüncht wird, war eine Idee von Trainer Pierre Liebelt . Er machte Holger Posse auf „The Joker and the Thief“ von Wolfmother aufmerksam. Jedoch ließ es sich der DJ nicht nehmen, noch jene berühmte Frage von H.P. Baxxter von Scooter einzubauen: „Is Everybody on the Floor?“

Marcus Schulze / 01.02.19 / Otz

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