Feb 18, 5 Jahren ago

„Ich wollte Opa diesen Wunsch erfüllen“

O Käpt’n! Mein Käpt’n! (II) Robert Zehmisch hütet beim SV Hermsdorf das Tor und gibt auch den ranghöchsten Kreuzritter – und ja, alle Torhüter sind verrückt

Hermsdorf. Handball war stets ein Thema in der Familie von Robert Zehmisch. Insbesondere am sonntäglichen Mittagstisch bei den Großeltern, schließlich war der Opa von eben Robert Zehmisch, Walter Hofmann , einst der Hallensprecher bei den Heimspielen des SV Hermsdorf .

Ja, die Begeisterung für die Handball-Materie ging so weit, dass sich das Abschneiden der Kreuzritter auch in schöner Regelmäßigkeit auf die Stimmung am Mittagstisch ausgewirkt habe, wie Robert Zehmisch berichtet. „Hatte der SV am Vortag gewonnen, war die Stimmung gut, hatte er aber verloren, war die Stimmung durchaus etwas gedrückt. Das habe ich als Kind gespürt“, so der Kapitän der Handballer aus dem Saale-Holzland-Kreis. Kurzum: Er stammt aus einer handballverrückten Familie, die nicht nur bei allen Heimspielen des SV zugegen war, sondern auch bei Auswärtsterminen.

An einem Mittwochabend, kurz vor Trainingsbeginn, sitzt Torhüter Robert Zehmisch vor der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf . Beim Anblick der Sportstätte überkommen ihn die Erinnerungen. „In der Sporthalle bin ich groß geworden“, sagt der 32-Jährige, der in unmittelbarer Nähe des Areals in einem Neubaublock aufwuchs. Auch beim SV Hermsdorf sei er schon von klein auf Mitglied – allerdings nicht in der Abteilung Handball. Zuerst standen beim kleinen Robert alle Zeichen auf Judo, danach versuchte er sich im Badminton. Keine ganz freie Entscheidung sei das gewesen, vielmehr das Anliegen seiner Mutter, die selbst Badminton spielte. „Sie hat versucht, einen Federballspieler aus mir zu machen, doch irgendwie fand ich mich darin nicht wieder. Außerdem hat sich mein Talent in Grenzen gehalten“, sagt der zweifache Vater und muss lachen. Also ab zur nächsten Station: Fußball – natürlich. Da habe er es auch ein paar Jahre ausgehalten, kickte er doch von seinem fünften bis zu seinem neunten Lebensjahr mit dem etwas größeren Leder.

Schließlich betrat das etwas kleinere Leder die sportliche Bildfläche von Robert Zehmisch. Er wechselte in die Handballabteilung des SV Hermsdorf – eine Beziehung, die bis heute Bestand hat. Für den Wechsel gen Handball sei sein Großvater verantwortlich gewesen, der damals noch das Kommando am Mikrofon innehatte. „Damals haben irgendwie alle Handball gespielt. Handball war unwahrscheinlich präsent in Hermsdorf“, erinnert sich Robert Zehmisch, der gelernter Krankenpfleger ist und jetzt im Außendienst arbeitet.

Er habe nicht von Anfang an im Tor gestanden, habe aber schon während der gemischten D-Jugend mit dieser Position geliebäugelt, zumal er bereits während seiner Fußball-Tage hin und wieder zwischen den Pfosten Dienst schob. Als Feldspieler sei er seinem Handball-Tagwerk eher rustikal nachgegangen. „Ich habe in meinem ersten Spiel zwei Tore erzielt, was ich riesig fand, habe aber in der Abwehr etwas zu hart zugepackt. Mein Gegenspieler war ein Mädchen und begann nach meiner Abwehraktion umgehend zu weinen“, erinnert sich Zehmisch. Danach stand für ihn – und wohl auch für die Trainer – fest, dass er im Tor am besten aufgehoben sei. „Da konnte ich niemandem mehr wehtun und musste auch nicht mehr so viel laufen. Außerdem hat es mir sehr viel Spaß bereitet.“

Seine ersten Schritte gen Männerbereich unternahm er jedoch nicht beim SV, sondern beim HSV Ronneburg , für den er von 2007 bis 2012 spielte. Danach kehrte er an den Nullpunkt seines Handball-Koordinatensystems zurück. Das Amt des Spielführers hat er seit 2015 inne. „Ich fungierte von Anfang an als vermittelnde Instanz zwischen diversen Grüppchen innerhalb des Teams“, sagt Zehmisch, der auch betont, dass er selbst keiner internen Formierung angehörte. Er habe sich weder zu den altgedienten Spielern noch den jüngeren Protagonisten zugehörig gefühlt.

Dass alle Torhüter – insbesondere jene beim Handball – leicht verrückt daherkommen, unterschreibt Zehmisch indes sofort. „Einen Knall musst du schon haben. Wer stellt sich schon freiwillig in den Kasten und lässt sich aus nächster Nähe die Bälle um die Ohren hauen von irgendwelchen Leuten, die ihre Oberarme trainieren. Eine kleine Meise kann da sehr hilfreich sein.“ Irgendwann würde es einfach nicht mehr schmerzen, mit der Zeit sei man schlichtweg abgehärtet, erläutert der SV-Kapitän und kredenzt einen Vergleich: „Einem Triathleten macht das kalte Wasser irgendwann auch nichts mehr aus. Er springt ohne mit der Wimper zu zucken hinein. Und so ähnlich ist das auch bei den Torhütern. Wie nehmen die Schmerzen einfach in Kauf. Am Ende zählt für mich nur, dass ich den Ball gehalten habe, gleich ob mit dem Kopf oder dem Arm“, führt Zehmisch weiter aus, der dann auf das Pokal-Spiel gegen Bad Blankenburg verweist. Da habe er insgesamt dreimal das kleine runde Leder an den Kopf bekommen. Jedoch würde er sich deswegen nie theatralisch geben oder gar auf den Boden fallen lassen. Diesbezüglich sei sein Ehrgeiz zu groß, gleichzeitig wolle er nicht, dass sein Gegenspieler über ihn triumphiert.

Wer Robert Zehmisch etwas länger kennt, dem ist sicherlich nicht entgangen, dass er abgenommen hat. Dass dem so ist, hängt mit einer Wette zusammen, zu der er sich bei der Hochzeit von Martin Ehm hinreißen ließ – natürlich zu fortgeschrittener Stunde, als das eine oder andere geistige Getränk bereits Geschichte war. „Ich habe gesagt, dass ich in ein paar Monaten agiler bin als Petr Nedved . Da haben natürlich alle gelacht, doch für mich war das ein Ansporn“, sagt Robert Zehmisch rückblickend, der seit dem Sommer neun Kilogramm verloren hat und zudem mit dem Rauchen aufhörte. Und ja, jetzt fühle er sich doch um einiges besser, sei viel schneller mit den Beinen.

Apropos Beine, damit er diese während eines Spiels in feinster Karate-Kid-Manier in die Luft werfen kann, pflegt er vor jedem Spiel ein Ritual, das einem Tanz recht nahe kommt. Für sich allein – fast wie in Trance – macht er zahllose kleine, dafür äußerst schnelle Schrittfolgen, so dass seine Füße nur so über den Hallenboden fegen. „Das muss ich machen, um meine Beine zu lockern“, so Zehmisch, der noch auf ein anderes Ritual verweist. Er müsse, wenn er erstmals gen Tor in einer Partie aufbricht, mit einem Fuß mehrmals gegen einen Pfosten treten. „Ich brauche das einfach, um mich zu pushen und meine Anspannung zu kanalisieren.“

Der beste Moment für ihn als Torhüter während einer Partie sei derweil jener, in dem er das direkte Duell für sich entscheiden kann. Er einen Wurf vereitelt, den ein gegnerischer Spieler während eines Konters auf sein Tor macht. „Das ist ein absolut geiles Gefühl. Unbeschreiblich“, schwärmt Robert Zehmisch, der jedoch auch darauf verweist, dass er in psychologischer Hinsicht im Vorteil sei, da er ja in diesem Moment nichts zu verlieren habe. Der Depp sei am Ende stets der Feldspieler, wenn er nicht trifft. „Wenn ich nicht halte, macht mir keiner einen Vorwurf.“

Ein Tanzritual vor jedem Spiel

Dass man beim SV seit nunmehr geraumer Zeit auf den Nachwuchs baut, begrüß Zehmisch sehr. „Man kann das Obst im Laden kaufen, kann aber auch einen Baum pflanzen, und später dann die gesamte Ernte einfahren“, sinniert Zehmisch, der keinen Hehl daraus macht, dass er irgendwann noch einmal in der Mitteldeutschen Oberliga spielen möchte – und zwar mit dem SV Hermsdorf .

Für seinen Großvater sei es sowieso schon immer eine ausgemachte Sache gewesen, dass sein Enkel eines Tages im Tor der SV-Männer stehen wird. „Als ich noch für Ronneburg spielte, hat er das fast bei jedem Sonntagsessen gesagt“, erinnert sich Robert Zehmisch. Drei Jahre nach dem Tod seines Großvaters war es schließlich soweit. „Das war mir wichtig. Ich wollte Opa diesen Wunsch erfüllen, auch wenn er da schon nicht mehr unter uns weilte“, sagt der Torhüter, der vor jeder Partie an Großvater Walter denkt.

Marcus Schulze / 16.02.19 / Otz

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