Mai 28, 5 Jahren ago

„Im ersten Moment war ich geschockt“

Interview der Woche Mario Kühne, Abteilungsleiter beim SV Hermsdorf, über den Ist-Zustand des Handball-Teams und dessen Zukunft

Hermsdorf. Dass man es nicht immer einfach hat als Trainer beim SV Hermsdorf , weiß niemand besser als Mario Kühne – auch darüber sinniert er ein wenig im Interview. Zudem habe er es – zumindest so ein bisschen – geahnt, dass Pierre Liebelt sein Amt niederlegen wird. Darüber hinaus erklärt er, warum auch er einmal laut in der Kabine wurde, was ihm für Fehler unterlaufen sind und wie es nun generell weitergehen soll mit den Handballern des SV Hermsdorf , die in den vergangenen beiden Spielzeiten in der Thüringenliga hinter ihren Erwartungen blieben. Und ja, natürlich ist er derzeit auf der Suche nach einem Nachfolger für Pierre Liebelt .

Herr Kühne , hat Sie die Entscheidung von Pierre Liebelt überrascht?

Sagen wir es einmal so: Ich hatte so ein Gefühl. Ich stand mit Pierre ( Liebelt , Anmerkung der Redaktion) stets im regen Austausch, und wir waren uns eigentlich auch einig, dass wir die Zusammenarbeit fortsetzen wollen, zumal die Chemie zwischen uns durchaus gepasst hat. Es gab keine Probleme. Vor der Partie gegen Eisenach gab er mir dann auch zu verstehen, dass er weitermachen möchte, doch vor der Partie gegen Ziegelheim ließ er mich wissen, dass er das Amt niederlegen wird.

Und Sie hatten schon so ein Gefühl?

Ja, ich hatte das stets im Hinterkopf, schließlich wusste ich ja auch um die Stimmung im Umfeld. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich im ersten Moment doch sehr geschockt war.

Ist der Abgang von Pierre Liebelt ein Verlust für den SV Hermsdorf ?

Definitiv.

Sie haben gerade auf das Umfeld beim SV Hermsdorf verwiesen. Pierre Liebelt sagte, dass er den Eindruck hatte, nicht mehr ausreichend Zeit zu bekommen. Zeit, die er benötigt hätte, um die junge Mannschaft weiter zu formen – insbesondere seitens einzelner Personen aus dem Vorstand und dem Umfeld habe es Kritik gegeben. Was ist Ihr Eindruck?

Das ist eine schwierige Frage. Fakt ist jedoch, dass wir nun einmal über Sponsoren verfügen, mit denen wir Verträge haben, die teilweise auch leistungsbezogen sind. Mancher Sponsor zahlt halt nur, wenn wir unter die ersten Drei der Liga kommen. Und wir haben dieses Ziel, da müssen wir ehrlich sein, nicht erreicht – sogar zweimal nicht. Das ist die sportliche Geschichte. Dass dem so war, lag jedoch nicht ausschließlich an Pierre, denn wir als Vorstand haben es auch verpasst, einen neuen Linkshänder an Bord zu holen. Zum einen gab es finanzielle Grenzen, zum anderen hatten wir mit einem Spieler Kontakt, bei dem wir uns letztlich nicht sicher waren, ob das alles passt.

Also sind auch Ihnen Fehler unterlaufen?

Ja, denn der Vorstand und ich haben es verpasst, die Mannschaft punktuell zu verstärken. Nichtsdestotrotz haben wir darauf gehofft, dass wir einen Medaillenplatz holen. Doch ich muss auch sagen, dass Pierre, auch wenn er nicht mehr das Gefühl hatte, ausreichend Zeit für das Team bekommen hätte.

Sie waren selbst einst Trainer beim SV Hermsdorf . Mitunter ist das doch ein recht schwieriger, ja undankbarer Job, gerade vor dem Hintergrund, dass der Handball die dominierende Sportart im Saale-Holzland-Kreis ist. Als Trainer steht man doch dann permanent im Kreuzfeuer – zumindest wenn es nicht wie gewünscht läuft?

Das ist tatsächlich so, doch ich habe versucht, einen Großteil der Kritik von Pierre und auch Stefan (Riedel, Anmerkung der Redaktion) fernzuhalten, habe als Sportlicher Direktor fast alles auf meine Kappe genommen. Natürlich haben wir dann gemeinsam darüber gesprochen. Sie wussten, dass es im Umfeld Unruhe gibt, weil wir hinter den sportlichen Erwartungen blieben – und daran gibt es auch nichts zu beschönigen. Aber ja, die Erwartungshaltung in Hermsdorf ist durchaus sehr hoch, weil man nun einmal höherklassig gespielt hat. Und womöglich haben viele Kritiker auch das Potential der Mannschaft gesehen, welches sie phasenweise schlichtweg nicht dargeboten hat.

Es ist also nicht einfach, Trainer der Handballer des SV Hermsdorf zu sein?

Ein dickes Fell kann nicht schaden, weil es nun einmal nicht an Handball-Enthusiasten im Umfeld mangelt – und die haben natürlich alle eine Meinung dazu, was wiederum ihr gutes Recht ist.

Kritik ist ein gutes Stichwort: Sie haben ja auch mal ein paar Verbalsalven in der Kabine nach einem Spiel, wohlgemerkt einem Sieg, abgelassen.

Das war nach unserem Heimspiel gegen Ziegelheim . Wir haben mit über zehn Toren Vorsprung gewonnen, alle waren auf einmal zufrieden, doch was wir abgeliefert haben, war einfach nur bescheiden. Die Kritik, die es im Umfeld ja nun einmal gab, hat sich natürlich auch gegen die Mannschaft gerichtet. Ich war oft genug dabei, als Pierre den Spielern vor dem Anpfiff oder in der Pause Instruktionen gab, ihnen sagte, was sie machen sollen – und es dann mitunter einfach nicht taten. So auch im Fall gegen Ziegelheim , die wahrlich angeschlagen anreisten. Doch wir quälten uns 50 Minuten, schafften es nicht, Ziegelheim Herr zu werden, erst in den letzten zehn Minuten – und das ist für den Anspruch, den ja auch die Mannschaft an sich selbst hegt, einfach zu wenig. Klar, auf dem Papier liest sich das dann super, sehr deutlich sogar, doch wer das Spiel gesehen hat, wird anders darüber denken. Kurzum: das war zu wenig, und das habe ich kritisiert.

Warum scheiterte das Team?

Da kam vieles zusammen. Ein Großteil der Spieler ist jung, da macht man halt noch Fehler, ist noch nicht gänzlich abgezockt, was ja auch völlig normal ist. Dazu kommt, dass die Trainingsbeteiligung mitunter etwas durchwachsen war, was aber nun einmal im Amateurbereich nichts Ungewöhnliches ist, schließlich müssen die Spieler Arbeiten oder sich auf Prüfungen im Studium vorbereiten. Na ja, und dann sind sie meines Erachtens in den entscheidenden Spielen nicht an die Schmerzgrenze gegangen, haben eben nicht dieses Mehr an Leistung und Entschlossenheit abrufen können, das für ein enges Spiel wie beispielsweise in Ronneburg elementar gewesen wäre. Tja, und dann kam vereinzelt auch noch etwas Pech dazu, doch darauf möchte ich nicht weiter eingehen, weil dergleichen so ein bisschen nach Ausrede klingt.

Wir geht es nun weiter beim SV Hermsdorf ?

Am Donnerstag war erst einmal das vorerst letzte Training. Wir machen jetzt bis Mitte Juni Pause, parallel dazu bin ich nun auf der Suche nach einem neuen Trainer, bin aktuell mit zwei, drei Kandidaten im Gespräch.

Was muss der neue Trainer mitbringen?

Ich möchte jemanden haben, der mit der jungen Mannschaft arbeiten will und auch kann, der sich mit dem Verein identifiziert und nicht jemanden, der nur hier aufschlägt, weil es eben der SV Hermsdorf ist. Der neue Trainer muss hinter unseren nachhaltigen Vorstellungen stehen. Das ist das Wichtigste.

Wird es künftig auch neue Spieler geben?

Auch dahingehend bin ich auf der Suche. Wir wissen auch, wo wir ansetzen müssen. Mit Pierre habe ich darüber schon im November sinniert. Doch wir haben auch schon viele Absagen bekommen, weil unsere finanziellen Mittel nun einmal überschaubar sind. Geld, das wir nicht haben, können wir schlichtweg nicht ausgeben. Außerdem ist es uns allen wichtig, dass wir die Mannschaft so homogen wie nur möglich halten, dass es keinen Ausreißer nach oben gibt. Es muss jemand sein, der insbesondere auch menschlich in das Team passt.

Jetzt haben Sie aber noch nicht verraten, für welche Positionen Sie neue Spieler suchen?

Wir suchen in erster Linie jemanden für den rechten Rückraum.

Glauben Sie, dass der SV Hermsdorf mit dieser Mannschaft eines Tages wieder in der Mitteldeutschen Oberliga spielen wird?

Wir wollen definitiv eines Tages dort wieder mitmischen. Das steht auch auf unserer Agenda und dem dazugehörigen Nachwuchsleitungskonzept. Doch es muss uns als Vorstand gelingen, die Mannschaft auf allen Positionen qualitativ so zu besetzen, dass wir den Ausfall eines Spielers recht problemlos kompensieren können und nicht ad hoc auseinanderbrechen. Das ist unsere Aufgabe, doch die ist nicht ohne, denn wir müssen Spieler nach Hermsdorf lotsen, die ins Konzept passen – finanziell und eben auch menschlich.

Die Mitteldeutsche Oberliga als Handball-Sehnsuchtsort sozusagen. Glauben Sie, dass die Fans dort den SV Hermsdorf sehen?

Natürlich, für viele ist das die Liga, in die wir einfach hingehören.

Herr Kühne , ich hätte da mal noch wie einst Inspektor Columbo eine Frage: Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal das Traineramt beim SV Hermsdorf zu übernehmen?

Zumindest nicht in der Theorie.

Marcus Schulze / 25.05.19

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