30:25 siegt der SV Hermsdorf zum Auftakt der Thüringenliga über Behringen/Sonneborn
Hermsdorf. Unruhig saß Jan Heilwagen auf der Tribüne. Der kleine Flügelflitzer fieberte sichtbar mit, konnte mitunter kaum noch an sich halten. Manchmal erhob er sich geradezu schlagartig von seinem Platz in unmittelbarer Nähe des Spielfeldes in der Werner-Seelenbinder-Halle am Sonnabend, als denn der SV Hermsdorf zum Saisonauftakt in der Thüringenliga Behringen/Sonneborn empfing. Es muss nun für Jan Heilwagen ein wahrlich schweres Unterfangen gewesen sein, nicht aktiv in das Geschehen eingreifen zu können, stattdessen passiv auf der Tribüne ausharren zu müssen. „Das ist echt ein komisches Gefühl, nicht mitspielen zu können, wenn man 14 oder 15 Jahre immer auf der Platte stand“, sagte der Publikumsliebling, der jedoch nicht alleine da auf der rechten Seite der Tribüne verweilte, saßen doch auch Stefan Riedel – mit Krücken – und Cedric Schreiber – mit Gips – neben ihm, wobei Schreiber das Dargebotene eher stoisch verfolgte und Riedel aufgrund seines Handicaps sowieso zur körperlichen Ruhe verdammt war. Es gebührte nun Jan Heilwagen, das HB-Handball-Männchen zu geben – insbesondere anfangs des zweiten Aktes der Begegnung.
Besagte zweiter Akt wurde beim Stand von 15:13 für das Team von Mario Kühne und Lutz Klecha eröffnet. Unmittelbar nach dem Wiederanpfiff konnte Felix Reis die Führung um einen Zähler erhöhen, doch auch die Handballer aus dem Wartburgkreis wussten, wo das Tor steht, kamen auf einen Treffer (15:16/33.) heran. Die Holzländer wiederum konnten in jener Phase einen Großteil ihrer Chancen nicht verwerten, taten sich sichtbar schwer, sodass das Damoklesschwert der Egalisierung stetig über ihnen kreiste. „Es ist zum Wahnsinnigwerden“, monierte Jan Heilwagen, der sich wohl am liebsten – wie einst Günther Netzer – selbst eingewechselt hätte. Bis zur 50. Minute blieb Behringen/Sonneborn dann auch in schöner Konsequenz in Schlagdistanz, lag zwei oder drei Tore zurück. Dass die Gäste halbwegs auf Distanz gehalten werden konnten, war zu großen Teilen dem Umstand geschuldet, dass Torhüter Robert Zehmisch den Gesetzen der Schwerkraft trotze und sich hochgradig agil und mit einer Mischung aus Kung-Fu und Breakdance in so ziemlich jeden Ball warf. Zweifelsohne hatte Zehmisch, der durchspielte, eine gewaltige Aktie daran, dass der SV Hermsdorf den Auftakt erfolgreich bestritt. „Robert war der Matchwinner“, urteilte Mario Kühne nach der Partie.
Doch in der 50. Minute war noch alles recht vage, Skepsis und Anspannung bei den SVH-Fans geradezu allgegenwärtig. Erst zwei Tore von Hannes Rudolph und eines von Fritz Reis bescherten den Kreuzrittern ein Polster von sechs Treffern (26:20/54.), das letztendlich nur noch zweimal auf vier Treffer (26:22/56. bzw. 27:23/57.) schrumpfen sollte.
Apropos Fritz Reis, der Sohn von Steffen Reis und Bruder von Felix Reis gab am Sonnabend sein Debüt bei den Männern. Als er in der 56. Minute sein erstes Tor erzielte, war die Freude auf den Rängen besonders groß. Doch nicht nur da, auch bei den Jungs, die geduldig am Spielfeldrand auf ihre Wischeinsätze warteten, wurde die Einwechslung des 16-Jährigen mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. „Jetzt kommt Fritz!“, sagte einer der kleinen Wischer mit vernehmbarer Begeisterung. Als der Novize in der 57. Minute auch noch sein zweites Tor erzielte, war er endgültig an der Handball-Tafelrunde der Kreuzritter angekommen.
„Ich war sehr aufgeregt, hatte schon Stunden vor dem Spiel ein unglaubliches Kribbeln im Bauch, was noch schlimmer wurde, als ich das Spielfeld betrat“, berichtete Fritz Reis unmittelbar nach der Partie.
Doch Reis war nicht der einzige Debütant an diesem Spieltag. Martin Vulic erzielte bei seiner Premiere sogar den ersten Treffer der Saison für den SV Hermsdorf, als er denn zum 1:1(2.) egalisierte. Insgesamt erzielte der Bosnier mit kroatischem Pass fünf Tore, hätte womöglich noch drei, vier Tore mehr erzielen können, wenn er denn nicht den vermaledeiten Pfosten getroffen hätte. Seine enorme Sprungkraft dürfte bei den Zuschauern auch für reichlich Verzückung gesorgt haben.
Auch Oleksandr Petrov lief erstmals für ein Punktspiel in Hermsdorf auf, gleiches galt für Paul Götze, dessen Einsatzzeit zwar überschaubar war, der dafür einen kleinen Fanklub sein Eigen nennen durfte, dessen Mitglieder mit vereinten Kräften ein Schild kredenzten, auf dem zu lesen war: „Ich will ein Kind von dir!“
Beim Jubelkreis nach dem 30:25-Sieg – in dessen Mitte naturgemäß die Trainer stehen – hielt sich Mario Kühne etwas zurück. Er wollte nur bedingt in den euphorischen Reigen einstimmen – und dergleichen hatte seine Gründe: „Wir haben stark begonnen, lagen mit 6:1 in Führung, doch dann haben wir nach zehn Minuten aufgehört zu spielen“, resümierte der Trainer, der auch darauf verwies, dass Behringen/Sonneborn sehr diszipliniert agiert habe, mit ihrer Deckungsarbeit den SVH mitunter vor Probleme gestellt hätte. „Uns gelang es indes nicht, diese Probleme spielerisch zu lösen, sondern eher mit Einzelaktionen und aufgrund individueller Klasse“, monierte Kühne. Alles in allem habe man zwei Punkte geholt – mehr nicht. Viel Arbeit würde noch vor seinem Team und ihm liegen.
Jan Heilwagen kam zu einem ähnlichen Urteil, doch es kam weitaus lakonischer daher: „Das war ein Arbeitssieg!“
Marcus Schulze /Otz/ 10.09.2019