Nov 1, 1 Jahr ago

„Eine Familie lässt man nicht im Stich“

Warum Stefan Riedel weiterhin bei Hermsdorfs Handballern auf dem Parkett steht und warum es im Spiel nicht läuft

Hermsdorf Nicht selten spiegelt sich die gesamte Tragik eines Scheiterns in einer einzigen Situation wider – so auch bei den Handballern des SV Hermsdorf am vergangenen Spieltag: In der 52. Minute rannte Fritz Reis nach einer Balleroberung allein auf das Tor der Gäste der SG Pirna/Heidenau zu, um letztlich an deren Keeper nicht vorbeizukommen … Was folgte, war jedoch kein Aufschrei seitens der Fans, kein lautstarkes „Oooh!“, das die kollektive Enttäuschung über den Fehlwurf sowie das eigentliche Mitfiebern akustisch wiedergegeben hätte. Stattdessen schwieg das Hermsdorfer Auditorium – ein paar Minuten vor Ultimo hatten sich die Anhänger der Kreuzritter längst damit abgefunden, dass ihr Team erneut ohne Punkte dastehen wird, schließlich lautete der Spielstand 15:29 (!), als Fritz Reis, nun ja, scheiterte.

Mario Kühne und Tobias Högl, Götz Bader und Denny Goth – sie alle kauerten derweil mit leeren Blicken und in sich gekehrt auf der Bank und hofften nur noch darauf, dass es bald vorbei sein möge. Naturgemäß ist es kein gutes Zeichen, wenn Trainer, Betreuer und auch Spieler an der Außenlinie nicht mehr lautstark hadern, aufspringen und gar unruhig von A nach B laufen. Ein derart teilnahmsloses Agieren ist in der Regel ein Beleg dafür, dass man sich seinem Schicksal ergeben und schlussendlich resigniert hat. Letztlich unterlagen die Holzländer den Gästen aus Sachsen deutlich mit 16:32 (9:16). Für das Team von Mario Kühne war es die nunmehr siebte Niederlage im achten Spiel – es war die zweithöchste. Zugegeben,Kevin Elsässer-Pech und Paul Götze rannten bis zum Abpfiff ein ums andere Mal gegen die Gäste-Abwehr an, doch gen Ende haftete ihrem couragierten Nicht-Aufstecken-Wollen fast schon etwas Verzweifeltes, ja etwas durch und durch Sisyphoshaftes an.

Nur wenige Minuten nach der Partie tauchte indes Stefan Riedel, der zum Hermsdorfer Aufgebot gehört hatte, aus der Kabine wieder auf – statt eines Handballs zierte nunmehr ein Becher mit Bier seine Hand. Dergleichen war wahrscheinlich nach der Klatsche, in deren Schlussphase der ein oder andere SVH-Akteur nur noch wie ein Statist wirkte, zwingend vonnöten. Für den fast 42–jährigen Kreisläufer, der sich ursprünglich vom Spielbetrieb verabschiedet hatte, war es bereits der vierte Einsatz in dieser Saison als quasi Reaktivierter.

„Das war so eigentlich nicht geplant, doch dann kam halt immer der Anruf samt der Frage, was ich denn am Samstagabend vorhabe – und meistens hatte ich noch nichts vor“, sagte Stefan Riedel und gönnte sich einen Schluck Maurerbrause. Er bringe es schlichtweg nicht übers Herz, Nein zu sagen.

„Die Jungs sind wie eine Familie für mich – und eine Familie lässt man nicht im Stich. Gerade in schweren Zeiten.“

Und warum läuft es in dieser Saison so gar nicht? „Tja, wir machen elementare Fehler – Abspielfehler, Wurffehler. Irgendwie hapert es gerade an allen Ecken und Enden bei uns. Wir sind einfach nicht effektiv. Doch was noch viel tragischer ist: Uns scheint die Freude am Spiel abhanden gekommen zu sein. Letztlich ist das eine fatale Mischung, mit der wir in derMitteldeutschen Oberliga definitiv nicht bestehen können. Damit wir die Liga halten, muss bei uns alles passen – doch davon sind wir gerade Lichtjahre entfernt“, bilanzierte Stefan Riedel, während Jan Heilwagen neben ihm stand und stumm nickte. Ja, es sei gerade schwierig, doch es müsse etwas geschehen. Zweifelsohne. Doch was genau, könne er auch nicht sagen, zumal er in das Trainingsgeschehen die Woche über kaum involviert sei.

Für Jan Heilwagen wiederum war es sogar schon der fünfte Einsatz in dieser Saison – obwohl auch er sich offiziell vom Spielbetrieb zurückgezogen hatte. Auch er wolle und könne seine Handball-Familie dieser Tage nicht hängen lassen. „Das geht einfach nicht“, sagte der 38-jährige Flügelflitzer und blickte zu Stefan Riedel, der ihm nun beipflichtete.

Ach ja, mit ihm und seinem langjährigen Compagnon hätten zusätzlich fast 80 Jahre auf dem Feld gestanden, sagte Jan Heilwagen und lachte, worauf Stefan Riedel erwiderte: „Heile und ich können nur punktuell aushelfen. Wir sind nicht die Spieler, die hier die großen Akzente setzen werden – das müssen jetzt andere machen.“

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