Mrz 7, 7 Jahren ago

Wenn die Grubenlampe erlischt

Der SV Hermsdorf ließ den Gästen des ZHC Grubenlampe nicht den Hauch einer Chance und demontierte die Sachsen 34:20

Von Marcus Schulze

Hermsdorf. Die Wahrheit in Sachen Handball liegt nicht immer nur auf dem Parkett. Natürlich, dort wird das eigentliche Spiel ausgetragen, wird energisch um den Ball gerungen und es fallen die Tore. Doch manchmal findet man ein Stück Handball-Wahrheit auch jenseits des eigentlichen Geschehens – und zwar in der Halbzeitpause, irgendwo auf dem stark frequentierten Weg zwischen Kantine, dem rauchenden Stelldichein vor der Werner-Seelenbinder-Halle und dem Bratwurststand.

Man musste nur genau hinhören, wenn denn die Handball-Experten – und dergleichen sind die Anhänger des SV Hermsdorf durch die Bank weg – über das Dargebotene während der ersten 30 Minuten, zum einen, und dem generellen Saisonverlauf, zum anderen, am Sonnabend sinnierten. „Sie wissen, dass sie absteigen, doch sie werden mit Anstand absteigen“, ließ ein „Experte“ mit vernehmbarer Zufriedenheit sein Gegenüber in der Kantine wissen.

Balsam für die Handball-Seele

Ja, die in der Vergangenheit oftmals geschundene Hermsdorfer Handball-Seele bekam am Sonnabend ein paar – längst überfällige – Streicheleinheiten. Allein der Halbzeitstand von 16:9 war purer Balsam, auch wenn der eine oder andere Zuschauer noch so seine Zweifel offenbarte, ob es denn in den folgenden 30 Minuten ebenfalls so gut laufen werde. Doch bis dato gab es wahrlich nichts zu beanstanden, das war äußerst „anständig“, was da das Team von Pierre Liebelt auf das Parkett zauberte. Und es sollte ja noch besser kommen.

Im allgemeinen Gewusel zwischen eben Kantine, Freiluft-Aschenbecher und Toilette konnte man jedoch noch etwas anderes aufschnappen: „Gut, dass wir den Heile haben!“, so der Tenor in einer bierseligen Runde, die von dem Auftritt des kleinen Außenflitzers, diesem unverwüstlichen Wusler, hellauf begeistert war. Denn es war eben Jan Heilwagen, der die ersten drei Treffer für die Gastgeber erzielte und insgesamt zwölf Tore erzielte. Pierre Liebelt charakterisierte das Spiel des kleinen Haudegens als „überragend.“

Dass die Hermsdorfer das Licht der Zwickauer Grubenlampe am Ende mit aller Gewalt zum Erlöschen brachten, war am Anfang der Partie noch nicht wirklich abzusehen, lag doch der ZHC stets – wenn auch hauchdünn mit jeweils einem Treffer – in Führung, doch „Heile“ konnte ja stets ausgleichen. Und wenn eben die Nummer 14 nicht traf, war ein anderer Routinier zur Stelle: Stefan Riedel. Und dann waren da ja noch die Schlussmänner Robert Zehmisch und Petr Nedved – der in der zweiten Hälfte eine regelrechte Leistungsexplosion erlebte -, die in jener Phase dafür sorgten, dass die Handballer aus jener Stadt, in der einst Robert Schumann das Licht der Welt erblickte, ihren Vorsprung nicht ausbauen konnten. Jedoch verletzte sich Kapitän Robert Zehmisch bei einer Aktion in der 1. Halbzeit. Diagnose: Innenbandriss am linken Bein. Das war der einzige Wermutstropfen an diesem so denkwürdigen Abend. Für den Schlussmann ist damit die Saison gelaufen.

Nach gut zehn Minuten übernahmen die Kreuzritter erstmals die Führung (5:4) durch – na klar – Jan Heilwagen. Zwar konnten die Zwickauer dank eines verwandelten Sieben-Meters durch Hans Pätz noch einmal umgehend ausgleichen, doch es sollte das letzte Mal gewesen sein, folgten doch Tore von Stefan Riedel, Martin Ehm und Maximilian Remde. Apropos Martin Ehm, der „Ehminator“ traf nicht nur höchstpersönlich, sondern hatte davor und danach seine Mitspieler mustergültig bedient. 8:5 lautete der Spielstand nach gut 15 Minuten. Die Gäste kamen noch einmal auf vier Treffer heran (6:10), doch das war dann auch schon das Höchste der Hermsdorfer Gefühle. Als kurz vor dem Pausenpfiff Stefan Riedel die Führung auf 16:9 hochschraubte, warf er anschließend die Arme in die Luft. Dergleichen gab es wohl schon lange nicht mehr.

Pierre Liebelt zur Halbzeit siegessicher

„Ich war mir zur Halbzeit sicher, dass wir gewinnen können“, sagte Pierre Liebelt. Bei der Videoanalyse des Gegners sei Pierre Liebel aufgefallen, dass die Zwickauer bevorzugt auf drei Spielzüge zurückgreifen würden – und genau darauf habe er seine Männer eingeschworen. „Wir haben frühzeitig attackiert, haben Passwege ausgemacht und sie unterbunden“, resümiert der SV-Coach. Dieses Mal hätten seine Spieler sehr viele richtige Entscheidungen getroffen, gerade in den Überzahl-Situationen hätten Cedric Schreiber und Maximilian Remde die Vorgaben des Trainers oftmals sehr gut umgesetzt. „Wenn sie attackiert wurden, haben sie den Außenspieler oder den Kreisspieler gesucht. Standen sie frei, haben sie geworfen“, fasst Pierre Liebelt zusammen, der auch Martin Ehm hinsichtlich seiner Entscheidungen lobte.

Martin Ehm fackelte dann auch in der zweiten Hälfte nicht lange, als er denn den Ball in der eigenen Hälfte eroberte und erkannte, dass das Zwickauer Tor verwaist war. Gut 30 Meter legte der Ball zurück, um nach dieser kleinen Ewigkeit in des Gegners Netz zu landen. 25:16 – die Zuschauer waren selig und der „Ehminator“ ballte die Faust. Letztlich war es ein Tor mit Symbolcharakter, ein Zeichen des Willens und der Entschlossenheit.

„Man hat schon beim Ansatz gesehen, dass er ihn verwandeln wird. Nicht jeder traut sich das zu, doch Martin war in diesem Moment so von sich überzeugt, dass er es einfach gemacht hat“, so Pierre Liebelt.

Trainer hinterfragt Einstellung der Spieler

Nach den ersten zehn Minuten in der zweiten Hälfte führte Hermsdorf mit elf Toren (22:11). Die Zwickauer hatten den geradezu entfesselt aufspielenden Gastgebern nichts entgegenzusetzen. Es kam einer Demontage gleich. ZHC-Spieler-Trainer Florian Weißflog stellte nach der Niederlage – die Fassungslosigkeitstand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben – die Einstellung seiner Spieler in Frage. Solche Sorgen hatte Pierre Liebelt an diesem Abend nicht. Auch nicht die Zuschauer, die sich gut fünf Minuten vor Abpfiff der Partie erhoben und ihrem SV-Hermsdorf zujubelten. Endstand: 34:20.

„Heute hat fast alles geklappt. Das war wirklich eine geschlossene Mannschaftsleistung, doch wir hatten uns auch etwas vorgenommen, waren uns sicher, dass wir gegen Zwickau gewinnen können“, resümierte ein überglücklicher Jan Heilwagen, der noch einmal auf die Leistung von Petr Nedved verwies. „Der hat in der 2. Hälfte sein Tor ja regelrecht zugenagelt.“

Am Abend vor der Partie gegen ZHC Grubenlampe standen alle Zeichen auf Handballer-Fasching.Vielleicht nicht gerade der glücklichste Termin, doch in diesem Fall bescherte der bunte Trubel dem SV Hermsdorf vielleicht die etwas abhanden gekommene Leichtigkeit. „Vielleicht sollten wir vor jedem Spiel Fasching feiern“, scherzte Jan Heilwagen, der am Freitagabend in die Rolle des Prinzen schlüpfte. Am Sonnabend wiederum, auf dem Parkett, mutierte er schließlich zum König. Zum Handball-König.

Tore: Heilwagen 12, Ehm 5, Remde 4, Riedel 3, Csikos 2, Schreiber 2, Stojanov 2, Reis 2, Friedrich 1, Soos 1

Otz/Marcus Schulze/06.03.2017

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