Der SV Hermsdorf unterliegt der HSG Freiberg 25:35 (10:15)
Von Marcus Schulze
Hermsdorf. Der Sport verfügt über zahllose Rituale. Jubelgesänge und dergleichen. So auch der Handball. Und so konnten am vergangenen Sonnabend Beiwohnende des Spiels Hermsdorf gegen Freiberg ein solches in Gänze – und auch Reinkultur – erleben. Das „Steiger-Lied“ erklang gegen Ende des Spiels, es sollte jedoch nicht das letzte Mal an diesem Abend gewesen sein, doch es war bereits ein Beleg dafür, dass sich die mitgereisten Fans der „Dachse“ aus der Bergbaustadt ziemlich sicher darüber waren, dass sie den Liga-Abstecher gen Saale-Holzland-Kreis unter der Kategorie „Auswärtssieg“ verbuchen können. Da waren noch fünf Minuten zu spielen, und die Hermsdorfer Trommler taten das, was nun einmal Trommler so machen: Sie hielten energisch und lautstark dagegen – auch wenn es für ihr Team, den SV Hermsdorf, nichts mehr zu holen gab an diesem Abend.
Während nun aufseiten des Teams von Pierre Liebelt die Gesichter etwas an Länge gewannen, ein Jan Heilwagen das Dargebotene mit einem Schulterzucken samt einem lakonischen „heute hat einfach nichts gepasst“ kommentierte, erklang nun auf der einen Seite der Tribüne in der Werner-Seelebinder-Halle erneut das „Steiger-Lied“ – dieses Mal jedoch mit dem dazugehörigen Sieges-Ritual. Die Freiberger Mannschaft samt Trainerstab saß auf dem Boden, und immer dann, wenn es in dem Bergbau-Evergreen „Glückauf, Glückauf, der Steiger kommt“ hieß, oblag es einer besonders treuen Fan-Seele, einen Handball-Protagonisten nach dem anderen mittels ausgestreckter Hand aufzuhelfen.
Derweil saß Jungspund Felix Reis abgekämpft auf der Bank, blickte immer mal wieder auf besagtes Ritual, um dann seinen Blick wieder abzuwenden, der dann leer wurde und die Enttäuschung widerspiegelte. „Na ja, Abspielfehler, viel zu viele technische Fehler, Fehlwürfe – wenn du das Tor nicht triffst, kannst du halt kein Spiel gewinnen. Hinten standen wir zu offen, die Abstimmung hat nicht gepasst und Freiberg war einfach abgezockter und hat unsere Fehler sofort bestraft“, so das ernüchternde Fazit des 19-Jährigen. Die Differenz von zehn Toren würde nicht die spielerische Qualität des Team charakterisieren, dafür aber die technischen Defizite.
Ja, es ist stets ein schlechtes Zeichen für das Gegenüber, wenn die gegnerischen Fans ihre Lieder anstimmen. Ein schlechtes Zeichen, ja fast schon ein Menetekel, gab es indes nach nur sechs gespielten Minuten in der ersten Halbzeit aufseiten der Gastgeber, als Stefan Riedel mal direkt die Rote Karte vom Unparteiischen präsentiert wurde. Die Fassungslosigkeit über dergleichen stand Riedel sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. Frustriert bis zum Anschlag nahm er in der noch verbleibenden ersten Halbzeit auf der Tribüne Platz, benötigte jedoch noch etwas Zeit, das Frischegeschehene zu verdauen. Es war ein Knackpunkt in der Begegnung – zweifelsohne.
Als das Urgestein zum unfreiwilligen Zuschauer wurde, lautete der Spielstand 2:4, danach konnte Maximilian Remde auf 3:4 verkürzen, doch Freiberg antwortete umgehend – 5:3. Zuvor hatte Jan Heilwagen einen Sieben-Meter vergeben. In jener Phase erspielte sich Hermsdorf die eine oder andere Großchance, konnte sie aber nicht nutzen. Nichtsdestotrotz gelang Martin Ehm in der 14. Spielminute der Ausgleich (5:5). Danach konnte das Team von Anel Mahmutefendic wieder die Führung übernehmen, doch Hermsdorf blieb in Schlagdistanz, kam dank Nikola Stojanov auf einen Treffer wieder heran (7:8). Doch danach trafen erst einmal nur noch die Gäste, die sich bis zur 23. Minute ein Polster von sechs Toren (13:7) erarbeiten konnten. Martin „Ehminator“ Ehm und Jan „Heile“ Heilwagen konnten zwar auf vier Treffer verkürzen, doch nach 30 Minuten führten die Bergbau-Handballer immer noch recht souverän mit fünf Treffern (15:10).
Differenz von zehn Toren einfach zu hoch
Während der zweiten Hälfte ließ sich Stefan Riedel nicht unweit der SV-Gehäuses nieder und verfolgte das Spiel seiner Teamkollegen. Und an der Körpersprache eines Stefan Riedel konnten aufmerksame Beobachter dann auch den gefühlten Verlauf der zweiten Hälfte der Partie in der Mitteldeutschen Oberliga ausmachen.
Zu anfangs saß er da noch etwas angespannt mit angezogenen Beinen, denn noch war ja alles möglich beim Spielstand von 13:16. Dann nahm er eine etwas bequemere Pose ein, die mitunter an eine sitzende römische Statur erinnerte, die jedoch Skepsis bezüglich des Dargebotenen suggerierte, da sich die HSG Freiberg erneut absetzen konnte (18:13). Zwar konnten die Ostthüringer noch einmal auf drei Tore verkürzen (17:20) – Riedel fieberte mit und zog die Beine wieder an -, doch dann zogen die Gäste erst mit sieben (24:17), später dann gar mit zehn Toren (29:19) von dannen.
Und spätestens ab dieser Phase, gut zehn Minuten vor Abpfiff, waren die Fronten geklärt, zumal sich bei Hermsdorf nun auch die Abspielfehler vermehrten. Auf der einen Seite der Tribüne wurde nun so nach und nach das „Steiger-Lied“ angestimmt, während auf der anderen nur noch die Trommler ihr lautstarkes Tagwerk – sicherlich mit reichlich Frust – verrichteten. Und Stefan Riedel? Der saß immer noch am Rand, hatte die Beine ausgestreckt und die Partie wohl abgehakt. Endstand: 25:35. „Ich bin enttäuscht, da die Sachen, die wir uns vorgenommen haben, nicht umgesetzt worden. Wir hatten die Chancen. Doch die zehn Tore sind einfach zu viel. Das sieht so aus, als ob wir untergegangen wären“, so Pierre Liebelt.
SV Hermsdorf: Martin Ehm 6, Jan Heilwagen 6, Martin Remde 4, Nikola Stojanov 3, Gabaor Csiskos 2, Felix Reis 2, Marvin Schreck 1, Cedric Schreiber 1, Tom Friedrich, Felix Hentschel, Petr Nedved, Daniel Soos
Otz/22.03.2017/Marcus Schulze