Feb 21, 8 Jahren ago

„Das war Angsthasen-Handball“

Eine gute Halbzeit hat für den SV Hermsdorf nicht ausgereicht, um gegen den HV Glauchau/Meerane zu bestehen

Von Marcus Schulze

Hermsdorf. Er hatte genug gesehen, vielleicht hatte er auch schlichtweg die Schnauze voll. Letzteres liegt durchaus im Bereich des Möglichen, denn der Trommel-Aktivist auf der Tribüne strapazierte nicht nur unermüdlich das Fell seiner Trommel, nein, auch seine Stimme schonte er nicht. Sie sollten doch bitte endlich anfangen, Handball zu spielen und – dergleichen schob er noch hinterher – den Stock endlich herausziehen. Wo genau? Man kann es sich denken. Kurzum: der Frust saß tief und besagter Trommler war nicht der einzige im Publikum, der gegen Ende des Partie zwischen dem SV Hermsdorf und dem HC Glauchau/Meerane, dem „A4-Derby“, litt. Der Trommler jedenfalls ertrug das Dargebotene gut vier Minuten vor Abpfiff, die Gastgeber lagen zurück und ein Handball-Wunder schien auszubleiben, nicht mehr. Ergo: er zog die Handschuhe aus, warf den Pullover über und stemmte die Trommel. Und tschüss.

Ja, der Abpfiff nach 60 Minuten hatten schon fast etwas Erlösendes. Nicht, dass der SV Hermsdorf an diesem Abend unter die Räder gekommen wäre, das war nicht der Fall, doch letztlich siegte die Gewissheit, dass der aktuelle Kader – aufgrund der mangelnden Tiefe – nicht in der Lage ist, einem Gegner über 60 Minuten die Stirn zu bieten. In der 2. Hälfte war schlichtweg die Luft raus, während sich die Gäste aus Sachsen eingespielt hatten und am Ende 27:19 siegten. Sein Team habe in der 2. Halbzeit „noch eine Kohle angelegt“, sagte Jörg Neumann, Trainer des HC Glauchau/Meerane. Eine wahrlich treffende Metapher, denn auf der anderen Seite gab es keine Kohlen mehr.

„Wir haben in der 1. Halbzeit ganz gut ins Spiel gefunden, haben das umsetzen können, was wir uns vorgenommen hatten“, resümierte indes Mario Kühne, der für Pierre Liebelt kurzerhand einsprang, da dieser mit der Grippe zu kämpfen hatte. Sein Team sei in die Tiefe gegangen, habe nicht parallel zur gegnerischen Abwehr agiert, sondern sei dahin gegangen, wo es eben auch einmal weh tun würde, lobte Kühne. Die Deckungsleistung habe gestimmt, doch ab der 17. Spielminute hätten sich schlichtweg die Fehler in der Vorwärtsbewegung vermehrt. Und dann wäre da halt noch ein üblicher Verdächtiger: die mangelnde Durchschlagskraft im Angriff. „Das war Angsthasen-Handball. Wir haben dann nur noch parallel gespielt, jeder hat den Ball am Neun-Meter-Kreis gleich weiter gespielt, während sich Glauchau kompakt 6-0 hinten reingestellt hat und auf Fehler von uns lauerte“, sagte Mario Kühne.

SV-Fans mit Galgenhumor

Es war die 20. Spielminute, in der Markus Elschker für den HC Glauchau/Meerane zum 8:8 egalisieren konnte. Die Gäste schienen sich, nach anfänglichen Schwierigkeiten, gefunden zu haben und drängten nicht nur auf den Ausgleich, sondern auch auf die Führung, die sie dank eines Sieben-Meters dann auch umgehend übernahmen. Davor führte der SV Hermsdorf zeitweilig mit drei Treffern (4:1/5:2/6:3/7:4). Dass die Handballer aus dem Saale-Holzland-Kreis die Oberhand behielten, war auch der Verdienst von Torwart Petr Nedved, der in letzter Instanz noch so manches Geschoss entschärfen konnte. Zweimal konnte der Gastgeber währen der 1. Halbzeit noch ausgleichen. Einmal durch Martin Ehm zum 9:9, in der 27. Minute war es Daniel Soos (10:10). Anschließend keimte sogar noch einmal die Hoffnung in der Werner-Seelenbinder-Halle am Sonnabend auf, als denn Jan Heilwagen zum 11:10 verwandelte – es sollte jedoch die letzte Führung für den SV Hermsdorf gewesen sein, zumal der HC noch vor dem Halbzeitpfiff erneut ausglich. Kabinengang beim Stand von 11:11 also. Da war eigentlich noch allles möglich. „Es war von beiden Mannschaften kein Spiel auf hohem Niveau. Doch wir haben viel mehr Fehler gemacht als Glauchau und uns hat heute einfach auch der Mut gefehlt, um zu gewinnen“, so das Resümee von Stefan Riedel. Es würde nicht reichen, wenn nur ein Teil der Mannschaft seine Leistung abrufen würde. Nur geschlossen habe man eine Chance, da man eben nicht über die herausragenden Einzelspieler verfügen würde, so Riedel weiter. „Wenn ein paar Spieler von uns mal keinen so guten Tag erwischen, können wir das als Mannschaft leider nicht kompensieren. Immer wenn wir wechseln, gibt es einen leichten Bruch bei uns im Spiel. Das müssen wir abstellen“, sagte der Routinier, der auch betonte, dass man sich heute viel mehr erhofft habe, zumal es zu Beginn auch recht gut aussah für den SV Hermsdorf.

Nach dem Wideranpfiff übernahmen die Gäste umgehend die Führung. Jan Heilwagen und Cedric Schreiber verkürzten auf jeweils zwei Treffer, doch dann zog der HC sukzessiv davon, führte in der 47.Minute 19:14, bis sich schließlich der Vorsprung der Gäste gen Ende der Partie zwischen sechs und sieben Toren einpegelte. „Wir sind mit viel Selbstvertrauen in die Halbzeit gegangen, doch nach dem Wiederanspfiff war davon nicht mehr viel vorhanden. Irgendwie rätselhaft, da es ja ein Heimspiel war, da sollte es nicht an Selbstvertrauen mangeln“, resümiert indes Martin Ehm. Der SV habe in der 2. Hälfte einfach zu viele einfach Kontertore kassiert, die letztlich zum Genickbruch beigetragen hätten. „Die ersten zehn Minuten der 2. Hälfte waren letztlich entscheidend. In dieser Phase konnten wir nicht das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben“, so Ehm.

Am Ende erklang „Always Look on the Bright Side of Life“ von Monty Python in der Werner-Seelebinder-Halle, was wiederum eine recht ambivalente Atmosphäre beschwor, wenn man denn die leeren Gesichtsausdrücke von Riedel, Remde, Schreiber oder Reis da am Spielfeldrand sah. The Bright Side of Life also, was ja soviel bedeutet, dass man stets auf die „schöne“ oder „helle Seite“ des Lebens blicken soll. In Sachen Handball wird für den SV Hermsdorf künftig besagte „Bright Side“ wohl in der Thüringenliga liegen. Darüber ist man sich beim SV Hermsdorf mittlerweile im Klaren. Und auch die Fans haben sich wohl damit abgefunden, sangen doch ein paar von ihnen aus Trotz: „Nie wieder Glauchau“. Wahrer Galgenhumor, passt ja irgendwie auch zu Monty Python.

Otz/Marcus Schulze/20.02.2017

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