Der Sportliche Leiter des SV Hermsdorf, Mario Kühne, über die durchwachsene Hinrunde in der Thüringenliga, den Umbruch im Team und enttäuschte Fans
Von Marcus Schulze
Hermsdorf. Bei jedem Heimspiel des SV Hermsdorf steht Mario Kühne auf dem kleinen Balkon in der Werner-Seelenbinder-Halle – oftmals angespannt bis in die Zehenspitzen, Tendenz leidend. Das liegt natürlich in der Natur der Sache, schließlich ist er seit dieser Saison der Sportliche Leiter der Handballer aus dem Saale-Holzland-Kreis, fungiert quasi als Bindeglied zwischen Vorstand und Mannschaft. Doch das ist natürlich nur eine Seite der Kühne-Medaille, schließlich hat er auch von klein auf für den Verein gespielt und leitete auch einst die Geschicke des SV Hermsdorf in der Mitteldeutschen Oberliga. Oder um es etwas emotionaler zu formulieren: Mario Kühne trägt sehr viel SV Hermsdorf in seinem Herzen. Und zwar in guten wie in – na sagen wir – weniger guten Tagen.
Herr Kühne, Sie stehen meistens bei den Spielen oben auf dem kleinen Balkon in der Werner-Seelenbinder-Halle. Warum eigentlich?
Da oben hat man einen anderen Blick auf das Spiel. Das wiederum ist von Vorteil, wenn ich zusammen mit Pierre Liebelt die Partie im Nachgang analysiere. Wir haben dadurch zwei verschiedene Perspektiven – und das ist, gerade bei der Fehlerauswertung, ein ungemeines Plus.
Mitunter beschleicht den Beobachter das Gefühl, dass sie da oben stets eine äußerst emotionale Achterbahnfahrt durchleben. Sind das die Leiden des Mario Kühne?
In gewisser Weise schon, doch ich leide grundsätzlich bei jeder Partie mit. Aber wie sollte das auch anders sein, ich bin nah an der Mannschaft dran, habe einst selbst für den SV Hermsdorf gespielt und habe auch als Trainer fungiert, da sind Emotionen, auch als Sportlicher Leiter, etwas Selbstverständliches, gleich ob positiv oder negativ besetzt.
Wie ist es denn um Ihren Gefühlshaushalt bestellt, wenn sie denn die Hinrunde in der Thüringenliga Revue passieren lassen? Derzeit verweilen sie im Niemandsland der Tabelle auf Platz 7.
Das ist natürlich alles andere als zufriedenstellend. Damit dürfen wir uns auch nicht abfinden.
Also eher negativ besetzt. Haben Sie sich samt Vorstand im Vorfeld mehr ausgerechnet?
Ja, haben wir. Doch man darf auch nicht vergessen, dass wir wahrlich sang- und klanglos aus der Mitteldeutschen Oberliga abgestiegen sind. Und jeder, der nun dachte, dass wir hier ohne Widerstand durch die Thüringenliga marschieren, wird gerade eines Besseren belehrt.
Haben Sie damit gerechnet, dass sich das Kapitel Thüringenliga so sperrig gestaltet?
Wir wussten von Anfang an, dass es sehr schwer werden wird. In dieser Liga gibt es kein Fallobst mehr, gab es ja auch noch nie, zumal sie kontinuierlich stärker geworden ist. Ich denke da an Jena, Sonneberg, Mühlhausen, Suhl, Werratal oder Ronneburg.
…oder Ziegelheim?
Die können, wie wir ja auch erfahren mussten, in ihren eigenen vier Wänden jedem Gegner das Leben schwer machen. Oder ihn gar besiegen. Doch dieses Spiel am vergangenen Wochenende hätten wir niemals verlieren dürfen – gerade bei dem Anspruch, den wir eigentlich haben.
Gab es nach der Partie eine nennenswerte Reaktion von Ihnen?
Direkt nach dem Spiel am Samstag sowie vor dem Training am Dienstag haben Pierre Liebelt und ich die Mannschaft gnadenlos in die Pflicht genommen. Es fielen von unserer Seite äußerst deutliche Worte.
Und was erwarten Sie seitdem von den Spielern?
Sie müssen einfach alles geben. Sie müssen auch dahin gehen, wo es nun auch einmal schmerzt. Der Kampf steht nun über der Ästhetik.
Können Sie die Enttäuschung vieler Fans nachvollziehen?
Natürlich, zumal die Fans ja auch Eintritt bezahlen. Dafür wollen sie eine Mannschaft sehen, die leidenschaftlich agiert – was wir auch schon oftmals gemacht haben. Doch leider gelang es uns nicht, dergleichen in jedem Spiel in Gänze zu präsentieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Fans eine Mannschaft sehen wollen, die erfolgreich ist. Aber ich denke auch, dass uns niemand böse ist, wenn wir verlieren, solange sie erkennen können, dass wir alles gegeben haben. Letztlich hat es die Mannschaft selbst in der Hand, sie steht auf dem Platz, nicht der Trainer.
Was war denn für Sie der bisherige Tiefpunkt in der Hinrunde?
Eindeutig das Spiel gegen Werratal, das hat uns in gewisser Weise das Genick gebrochen. Wenn wir das nicht verloren hätte, wären wir im Soll, würden auf Platz vier oder fünf stehen. Aber Hätte, Wenn und Aber, alles nur…Auch das Spiel gegen die 2. Mannschaft des HSV Apolda war nicht gerade ein Heldenstück. Der Sieg hätte viel deutlicher ausfallen müssen, gerade mit Blick auf unseren eigenen Anspruch. Ganz zu schweigen von den letzten 20 Minuten in Ziegelheim. Da haben wir uns schlichtweg blutleer präsentiert.
Und der Höhepunkt?
Wir haben durchaus gute Spiele abgeliefert. Ich denke da an Ronneburg oder auch an Goldbach, wo wir sehr souverän gewonnen haben. Das muss man erst einmal dort schaffen. Nichtsdestotrotz bin ich mit der Leistung des Teams in der Hinrunde nicht zufrieden. Es fehlt einfach die Konstanz. Wenn bei uns zwei Leistungsträger ausfallen, gelingt es uns oftmals nicht, dies zu kompensieren. Dafür sind wir einfach nicht breit genug aufgestellt.
Das Wort „Anspruch“ fällt sehr häufig. Was verbirgt sich konkret dahinter?
Nun ja, vor der Saison hieß es, dass wir am Ende in der Tabelle einen Platz unter den ersten Drei belegen.
Halten Sie an besagter Vorgabe auch jetzt noch fest?
Ja, weil wir uns dazu verpflichtet haben. Sollte es am Ende anders kommen, wird das sicherlich Konsequenzen nach sich ziehen. Doch darauf möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Darüber können wir dann im Mai ausführlich reden.
Wie ist eigentlich ihr Verhältnis zu Pierre Liebelt?
Mein Umgang mit Pierre Liebelt ist sehr offen, wir reden sehr viel miteinander, ich sage ihm auch, wenn ich bestimmte Dinge hinsichtlich der Taktik anders sehe als er. Wir pflegen da eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, zumal ich ja auch das Training leite, wenn er einmal verhindert ist. Aber es ist nicht immer ganz einfach für mich, da ich als Bindeglied zwischen Vorstand und Mannschaft auch oftmals, wie sagt man so schön, zwischen den Stühlen sitze.
Klingt dennoch recht harmonisch. Haben sie schon einmal an seiner Arbeit gezweifelt?
Grundlegend zweifle ich nicht an dem, was Pierre Liebelt gerade aufbaut. Auch der Vorstand nicht. Dass er als Trainer hin und wieder in den Fokus der Kritik gerät, ist ein geradezu essenzieller Bestandteil des Jobs. Und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich da spreche, schließlich habe ich das alles auch einst erlebt.
Sie und der Vorstand geben Pierre Liebelt als Rückendeckung?
So ist es.
Der Trainer beschwört verbal in schöner Regelmäßigkeit eine Phase des Umbruchs. Stimmen Sie dem zu?
Wir sind definitiv in einer Umbruchphase, haben derzeit ein sehr junges Team. Und natürlich benötigt das ganze Unterfangen auch seine Zeit. Doch jeder Entwicklungsgedanke muss dann auch einmal an jenen Punkt gelangen, an dem er sich wahrhaftig materialisiert; er sozusagen sichtbar wird. Und ich entwickle mich nur dann weiter, wenn ich Verantwortung übernehme.
Das klingt jetzt so ein wenig nach einer Erkenntnis aus einem Proseminar für Philosophie. So ein bisschen Hegel, ein bisschen Marx. Können Sie das bitte einmal an einem konkreten Beispiel festmachen?
Nehmen wir das Spiel gegen Ziegelheim. Da liefen wir mit jungen Akteuren im Rückraum auf – mit Jan Minas und Felix Reis. Die haben auch kein schlechtes Spiel gemacht, doch ich hätte mir hier und da ein Mehr an Impulsen von ihnen in der entscheidenden Phase gewünscht, doch es unterliefen ihnen in jener Phase einfach ein paar Fehler zu viel. Und diesbezüglich dachte ich einfach, dass wir schon etwas weiter sind.
Wollen Sie also darauf hinaus, dass jener Umbruch auch irgendwann einmal abgeschlossen sein muss?
Genau, denn irgendwann kommt eben der Zeitpunkt, an dem das nicht mehr in dieser Form nach außen kommuniziert werden kann. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Fans, den Sponsoren sowie der Abteilung Handball. Das Arbeiten mit jungen Spielern bedarf zweifelsohne Zeit – und das ist so ein bisschen der Knackpunkt, denn so viel Zeit haben wir leider nicht. Doch wir wollen als Verein an besagtem Umbruch festhalten. Auch, weil wir mittelfristig wieder in die Mitteldeutsche Oberliga aufsteigen wollen.
Das Thema Aufstieg spielt also durchaus noch eine Rolle beim SV Hermsdorf?
Ja, aber nicht mehr für diese Saison. Das schaffen wir nicht. Darüber waren wir uns auch im Vorfeld bereits im Klaren. Aber mittelfristig wollen wir wieder aufsteigen – wenn das finanziell zu stemmen ist.
Zukunftsmusik also. Widmen wir uns noch einmalkurz der Gegenwart. Heute geht es für den SV Hermsdorf zum SV Behringen-Sonneborn. Was erwarten Sie von der Begegnung?
Ein schweres Spiel. Hoffentlich mit dem besseren Ende für uns.
Otz/Marcus Schulze/13.01.2018