Robert Zehmisch erinnert sich vor dem morgigen Derby an seine Zeit beim HSV Ronneburg
Marcus Schulze
Hermsdorf Robert Zehmisch grübelt am anderen Ende des Telefons. Das exakte Jahr will dem Torhüter des SV Hermsdorf schlichtweg nicht einfallen. Klar, 2012 wechselte er wieder zu seinem Heimatverein. Aber wann stieß er nur zum HSV Ronneburg? Zehmisch begibt sich in seiner Wohnung auf die Suche, gibt einem zu verstehen, dass er das Zimmer wechselt. Als er sein letztes Spiel für die Ronneburger absolvierte, erhielt er zum Abschied eine Bilder-Collage, die nun eine Wand in seinem Domizil ziert. Auf dieser würden auch die Jahreszahlen stehen, sagt Zehmisch, der dann selbst ein wenig überrascht ist, als er diese erblickt. „2005. Ach du liebes bisschen! Doch so lange“, sagt der Handball-Keeper mit vernehmbarer Verwunderung. Er vermutete 2007.
Summa summarum macht das sieben Jahre. Eine lange Zeit, die der heute 33-Jährige rückblickend nicht missen möchte. Sie sei prägend und schön zugleich gewesen. „In jenen Tagen bin ich nicht nur sportlich, sondern auch menschlich gewachsen“, resümiert Zehmisch. Er habe dort gelernt, was es bedeutet, um seinen Platz im Team kämpfen zu müssen. Habe zudem erfahren, wie sich Leistungssport anfühlt. Er wollte damals unbedingt in der Oberliga spielen, wofür er letztlich den Wechsel gen Ronneburg in Kauf nahm. In Hermsdorf blieb ihm besagter Wunsch verwehrt, da er an den gesetzten Torhütern nicht vorbeikam. „Ich bereue die Entscheidung nicht. Ich würde es wieder so machen.“
Er stehe immer noch in Kontakt mit dem einen oder anderen HSV-Protagonisten. „Ich bin da immer noch gerne gesehen – bis auf zweimal im Jahr“, sagt Zehmisch und muss lachen, der damit auf die Begegnungen in der Thüringenliga anspielt, die es seit der Saison 2017/18 wieder gibt. Und die Bilanz spricht für das Team von Mario Kühne: zwei Siege, ein Remis und eine Niederlage.
Nach all den Jahren nun, die der Handball-Goalie in der Bergbaustadt spielte, kann er naturgemäß auch etwas über das Wesen der Fans des HSV sagen. In ihnen würde sich auch die Wismut-Vergangenheit widerspiegeln. Außerdem würden sie anders ticken als die Fans der Kreuzritter. Zehmisch charakterisiert sie als rustikal, direkt und bodenständig, aber auch als authentisch, dankbar und sehr herzlich. „Sie mögen keine Legionäre. Ihnen ist es wichtig, dass man sich mit dem Verein identifiziert, man sich auf der Platte aufreibt.“
Wenn man nun Zehmisch nach dem berühmt-berüchtigten Hexenkessel fragt, beschwört er eine ganz besondere Atmosphäre, die heute schier undenkbar erscheint: in der Halle in Ronneburg wurde geraucht. „Das ist bis heute die einzige Halle, in der ich das erlebt habe. Ich weiß nicht, ob das erlaubt war, aber bereits beim Einlaufen hat man den blauen Dunst gerochen“, sagt der Torhüter, der sich nicht vorstellen kann, dass dergleichen heute noch möglich ist.
In die Bredouille kommt Zehmisch indes, wenn er über seinen schönsten Moment beim HSV Ronneburg spricht. „Eigentlich kann ich das nicht erzählen“, flachst der ehemalige SVH-Kapitän herum, der dann aber doch noch mit der Sprach herausrückt: ein Auswärtssieg mit dem HSV Ronneburg beim SV Hermsdorf. Gleichzeitig habe er in der Werner-Seelenbinder-Halle in eben Hermsdorf auch den bittersten Moment in Sachen Handball erlebt, als denn der HSV im Pokal 2010 einen Vorsprung von fünf Toren aus der Hand gab und verlor.
Der Kontakt zu seinem Heimatverein brach in jenen Jahren jedoch nie ab. Als sich schließlich die Möglichkeit bot, 2012 gen Hermsdorf zu wechseln, nutzte Zehmisch sie – auch weil sich der HSV Ronneburg in einer finanziellen Misere befand, keiner wusste, wie es weitergehen sollte.
Für das morgige Derby sei indes entscheidend, dass man den Kampf annehme. „Wenn wir das nicht machen, haben wir schon verloren“, betont Zehmisch, der auch darauf verweist, dass Ronneburg in dieser Saison nur schwer einzuschätzen sei. Und natürlich werden die Gäste – derzeit auf Platz sieben – am Sonnabend hochmotiviert sein. Derby eben. Und auch der Keeper fiebert dem Stelldichein ab 19.30 Uhr entgegen: „Das ist immer eine gute Geschichte. Es geht zur Sache, doch man respektiert sich. Und danach gibt es das obligatorische Bier. Obwohl, wenn Ronneburg kommt, gibt es meistens noch ein zweites.“
Otz/08.11.2019/Marcus Schulze