Handball-Thüringenliga: Souverän schlägt Hermsdorf den HSV Ronneburg mit 29:21
Marcus Schulze
Hermsdorf. Martin Ehm hatte ein klares Ziel. Denn nach seinem Tor zum 29:21 (58.) gegen den HSV Ronneburg rannte er entschlossen gen Tribüne und kredenzte die „Ghetto-Faust“. Besagte Faust entfaltet sich jedoch nur dann in Gänze, wenn es ein Gegenüber gibt, welches die Geste erwidert. Faust auf Faust quasi. So verlangen es die „Ghetto-Statuten“.
Das Gegenüber hieß Maximilian Remde und saß nach einer Tätlichkeit (19.) – so interpretierten es die Unparteiischen – auf der voll besetzten Tribüne. Der zur Passivität verdammte Kapitän wusste, was Ehm von ihm wollte, Remde erhob sich und präsentierte durchaus fröhlich die Faust. Bäm! „Ich hatte Max im Publikum gesucht“, sagte Ehm nach der Partie am Sonnabend, als er gefühlt eine Wasserflasche in einem Zug leerte. Maximilian Remde bewies indes Galgenhumor. „Nachdem ich vom Platz gestellt wurde, lief es doch“, sagte der Kapitän und lachte.
Womöglich war es eine Art von Trotzreaktion, eine Idee von „Jetzt-erst-recht“, die die Kreuzritter auf einmal geradezu entfesselt aufspielen ließ. Bis zur ersten Auszeit (13.) gestaltete sich das Dargebotene ausgeglichen, die Hausherren hatten so ihre liebe Not mit der HSV-Defensive, doch ab der 20. Minute standen alle Zeichen auf Katharsis. Martin Vulic, der laut Trainer Mario Kühne sein bestes Spiel bis dato absolvierte, Oleksandr Petrov, der überragende Felix Reis, der sieben Tore erzielte, und Hannes Rudolph bescherten dem SVH binnen sieben Minuten einen beachtlichen Vorsprung von sechs Toren (12:6/27.). Dergleichen war das Fundament für den späteren Triumph, denn von dieser entschlossenen Attacke erholten sich die Handballer aus der ehemaligen Bergbaustadt nicht mehr, zumal die Defensive der Hausherren fulminant agierte, woran Torhüter Robert Zehmisch auch eine gewaltige Aktie hatte. Mehr als nur einmal gab er die Katze zwischen den Pfosten. Nach lediglich fünf absolvierten Minuten im zweiten Akt, der beim Stand von 14:8 eröffnet wurde, führte der SV Hermsdorf mit sage und schreibe neun Toren (17:8). Was sollte da noch schiefgehen?
„Ab der 23. Minute war ich mir sicher, dass wir hier als Sieger vom Platz gehen. Ab da haben wir das gemacht, was wir uns die Woche über erarbeitet haben. Ab da haben die Laufwege gepasst“, sagte Mario Kühne, der insbesondere zwei Tugenden beschwor: Disziplin und Geduld. „Wir haben ein System, an welches wir uns halten müssen. Alle Versuche aus diesem auszubrechen, sind zum Scheitern verurteilt“, führte der Coach weiter aus, der auch darauf verwies, dass er zu 80 Prozent zufrieden sei. „Man muss Ronneburg erst einmal an diesen Punkt bekommen, an dem alle auf der Bank nur noch ruhig und schweigend dasitzen und sie im Angriff das Tempo herausnehmen – und das haben wir heute richtig gut gemacht“, schob Kühne hinterher.
Im zarten Alter von 16 Jahren wurde im ersten Akt Fritz Reis in das Derby-Geschehen geworfen. Als er sich von der Bank erhob und letzte Anweisungen von seinem Coach erhielt, war er sichtbar nervös. „Mega nervös, zumal ich nicht damit gerechnet habe, zu spielen“, sagte Reis, der von der Atmosphäre in der Werner-Seelenbinder-Halle während des Derbys schwärmte, insbesondere dann, wenn ein Tor fällt. Zweimal war der Jubel der SVH-Fans nur ihm gewidmet. Mario Kühne lobte nach der Partie indes sein hochgewachsenes Nesthäkchen. „Man muss einen 16-Jährigen erst einmal in so ein Spiel werfen. Das, was er heute geleistet hat, hat er sich im Training hart erarbeitet.“
Und der Ehminator? Der den Regisseur gab, vier Tore erzielte und im März Vater wird. Er ließ durchblicken, dass es wohl noch die eine oder andere Maurerbrause geben wird. Tanzen und so. Doch fürs Erste trank die Stimmungskanone Wasser. Wohlgemerkt, fürs Erste.
Otz/11.11.2019/Marcus Schulze