Mrz 2, 4 Jahren ago

„Keiner ist sich zu fein, zum Obst zu machen“

Am Sonnabend steigt der Handballerfasching des SV Hermsdorf zum 50. Mal. Steffen Reis erinnert sich

Marcus Schulze

Hermsdorf Er habe das als ungerecht empfunden. Sehr ungerecht sogar. „Das war einfach nur gemein“, sagt Steffen Reis und lacht anschließend herzhaft. Reis spielt auf seinen Erstkontakt in Sachen Handballerfasching im Jahr 1978 an. B-Jugend-Tage für den einstigen Protagonisten der 1. Mannschaft und jetzigen Geschäftsführer der Handball-Marketing Hermsdorf GmbH. Damals habe er erstmals von besagtem Fasching gehört – und durfte prompt nicht mitmachen. Die Jungs von der B-Jugend waren nämlich außen vor, mussten sich gedulden, bis sie denn die nächste Altersstufe erreicht hatten. Bei der weiblichen B-Jugend war die Handhabung jedoch eine ganz andere. Die jungen Frauen durften nämlich am Handballerfasching teilnehmen.

Mit solchen Ungerechtigkeiten muss sich Steffen Reis am heutigen Sonnabend jedoch nicht herumschlagen, wenn denn der berühmt-berüchtigte Handballerfasching des SV Hermsdorf zum 50. Mal über die Bühne geht. Reis und seine Frau Cornelia Nidoschefsky-Reis geben sogar das Prinzenpaar. Der ganz große Auftritt also.

An sein erstes Wirken bei dem bunten Stelldichein kann sich Reis noch lebhaft erinnern. Wir schreiben das Jahr 1985. Der Handballer hatte gerade die vermaledeite NVA überstanden und gehörte nun zur 1. Mannschaft der BSG Motor. Natürlich standen alle Zeichen auf Männerballett. Zu den Schunkel-Klängen von „An der Nordseeküste“ von Klaus & Klaus machten die Handball-Herren einen auf Mikhail Baryshnikov. „Monatelang haben wir dafür geübt. Schritt für Schritt, immerhin ist das ja ein recht langsames Lied. Und was waren wir aufgeregt. Heute würde da wohl gar niemand mehr hinschauen“, sagt Steffen Reis. Zum quasi Handball-Ensemble gehörten unter anderem auch Torwart Wolfram „Sattel“ Schneider und Uwe Remme.

Seit jenen Tagen nun war Steffen Reis immer mit von der Partie, außer in jenen zwei Jahren, als er für den HSV Ronneburg spielte. Und der 56-Jährige ist stolz darauf, dass es den Handballerfasching immer noch gibt. Denn das närrisch-sportliche Treiben stand auch schon einmal fast vor dem Aus. „Da hatte sich niemand mehr gekümmert, doch damit der Fasching nicht gänzlich ausfällt, haben wir ihn zwei Jahre in der Kohlrabi-Schänke in der Gartenanlage bei der Schillerstraße veranstaltet. Da waren wir gerade mal 30 bis 40 Leute“, erinnert sich der Handball-Haudegen an die eher bescheidenen Feierlichkeiten der Jahre 2014 und 15. Als im Jahr 1991 indes der Zweite Golfkrieg wütete, fiel der Fasching indes aus. Der damalige Abteilungsleiter Christian Bauer, religiöser Mensch und Pazifist, wollte unter solchen Gegebenheiten nicht feiern.

Zu DDR-Zeiten feierte man im Sportlerheim, nach der Wende im Feuerwehrheim in Oberndorf, im Hermsdorfer Rathaussaal, im Holzlandsaal in Bad Klosterlausnitz und seit 2016 in „Holgers Bergstüb’l“ in Hermsdorf.

Jedes anwesende Handball-Team des SV Hermsdorf steuert stets einen Beitrag zum Programm bei, der jedoch nicht übertrieben professionell daherkommen muss. Vielmehr würde das anwesende Publikum so manch holprige Präsentation weitaus mehr honorieren, schließlich sei man ja einander nicht fremd. Und es soll ja schließlich auch gelacht werden dürfen. Laut Reis würden sich die Männer der legendären 3. Mannschaft des SV Hermsdorf durch besondere Einsatzbereitschaft alljährlich auszeichnen. Doch auch die 1. Mannschaft würde seit ein paar Jahren mit recht ambitionierten Programmen das Publikum wieder regelmäßig verzücken. Federführend sei diesbezüglich ein gewisser Martin Ehm. „Die 1. Mannschaft ist schon immer der Höhepunkt des Abends gewesen“, berichtet Reis.

Und auch Steffen Reis hat sich schon nach Leibeskräften in das Programm eingebracht – und das im wahrsten Sinne des Wortes. 1990 trat er zusammen mit Andreas „Der Lange“ Weise auf, wobei der Zwei-Meter-Hüne, mit dem Reis heute stets am Grill während der Heimspiele des SV Hermsdorf steht, den weiblichen Part gab. Beide tanzten zu „Lambada“, und laut Reis habe Weise nicht ein einziges Mal den Boden berührt. „Ich war danach fix und fertig.“

Generell sei der Fasching für das Klima zwischen den einzelnen Mannschaften des SV Hermsdorf sehr wichtig, würde das „Wir-Gefühl“ ungemein beschwören, betont Reis. Außerdem könne man an der Resonanz auch stets ablesen, welchen Stellenwert die 1. Mannschaft in Hermsdorf und Umgebung gerade genießen würde. Hat das Team Erfolge zu verbuchen und steht in der Liga gut da, mangelt es oftmals auch nicht an Besuchern. So konnten für die diesjährige Auflage des Faschings bereits 125 Karten im Vorverkauf abgesetzt werden. 2019 sah es da schon bescheidener aus.

Ach ja, der Fasching fungiert – wie sollte es anders sein – auch als Partnerbörse. Diverse Paare, die die Passion Handball teilen, hätten dort im Laufe der Jahre zueinander gefunden, wie denn Steffen Reis zu berichten weiß.

Otz/Marcus Schulze/29.02.2020

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