Unvergessene Momente Mario Kühne erinnert sich an das Handball-Pokal-Halbfinale 2010 zwischen Hermsdorf und dem HSV Ronneburg
Marcus Schulze
Hermsdorf Eigentlich war alles schon entschieden. Sieger und Verlierer konnten im Thüringer Pokal-Halbfinale zwischen dem SV Hermsdorf und dem HSV Ronneburg am 1. Mai 2010 eigentlich schon benannt werden, schließlich lagen die Handballer aus der Stadt mit der Wismut-Tradition mit 30:25 in Führung. Vier Minuten vor dem Abpfiff einer Begegnung kann man einen solchen Vorsprung durchaus als sichere Bank charakterisieren. Ja, der HSV Ronneburg um Trainer Steffen Schreiber und mit Robert Zehmisch im Tor sah wie der sichere Finalist aus – eigentlich.
Wenn es nun darum geht, die noch ausstehenden 242 Sekunden der Partie wiederzugeben, ja irgendwie in Worte zu fassen, hat Mario Kühne am anderen Ende der Leitung so seine liebe Not. Stück für Stück kann er die einzelnen Tore nicht mehr sezieren. Zu verrückt sei das alles gewesen, was er damals als Co-Trainer des SV Hermsdorf an der Außenlinie miterlebt habe. Gleich einem Rausch. „Das Hermsdorfer Publikum und auch die Spieler sind völlig ausgeflippt“, weiß Kühne lediglich von jenem Halbfinal-Wahnsinn zu berichten. Und eines weiß er natürlich noch ganz genau: dass Hermsdorf am Ende 31:30 siegte, binnen vier Minuten das Spiel drehte. „Das waren einfach nur krasse Momente, weil man gesehen hat, was im Handball alles möglich ist. Man darf einfach niemals aufgeben, egal wie ausweglos es auch erscheinen mag“, sagt der heutige Trainer des SV Hermsdorf.
So fällt ihm auf einmal wieder ein, dass die Schlachtenbummler aus Ronneburg ihre Mannschaft bereits lautstark als Sieger feierten. Doch die Lobeshymnen hätten mit jedem Tor, das der Gastgeber des Final-Four-Turnieres in der Schlussphase erzielte, an Volumen verloren. Mit jedem Treffer der Hausherren seien die HSV-Gesänge schmallippiger und auch ungläubiger dahergekommen. Als Jan Heilwagen gut 60 Sekunden vor dem Ende zum 30:30 egalisierte, sei von den anwesenden Ronneburgern nichts mehr zu hören gewesen. „Sie waren regelrecht verstummt“, erinnert sich Kühne, der mit seinem nächsten Atemzug auf jene emotionale Eruption bei den SVH-Fans auf der Tribüne in der Werner-Seelenbinder-Halle verweist, als Maik Grützbach zum 31:30-Endstand für die Kreuzritter traf. Hörsturz und so. Grützbach wiederum war mit elf Toren an diesem Tag der erfolgreichste Schütze des SV Hermsdorf, in dessen Reihen damals u.a. Ferenc Bergner, Stefan Riedel, Tobias Högl oder Christian Szlapka standen. „Wir haben uns viele Schlachten mit dem HSV Ronneburg geliefert. Das war vielleicht die denkwürdigste“, sagt Mario Kühne zehn Jahre danach.
Ach ja, einen Tag später konnte der SV Hermsdorf, der bereits Meister in der Oberliga war, auch noch den Pokal holen. Das wiederum rundete die damaligen Feierlichkeiten anlässlich „100 Jahre Handball in Hermsdorf“ geradezu perfekt ab. Die Holzländer, die in jenen Tagen von Jens Friedrich trainiert wurden, siegten über Ernestiner Gotha. „Es war ein rundum gelungenes Wochenende“, resümiert Mario Kühne und muss lachen.
Otz/Marcus Schulze/03.06.20020