Künftig wird Christopher Stölzner (links) beim Handball-Thüringenligisten SV Hermsdorf mit an der Außenlinie stehen. Der 26-Jährige kommt vom HSV Ronneburg und unterstützt Trainer Mario Kühne (rechts)
Marcus Schulze
Hermsdorf Sein Nachname verpflichtete Christopher Stölzner geradezu dazu, Handballer zu werden. Ja, man kann vielleicht sogar von einer Bestimmung reden. Das mag mitunter pathetisch klingen, doch eine Begebenheit aus seiner Kindheit verdeutlicht, welche Strahlkraft der Name Stölzner besaß und wohl auch noch immer besitzt – zumindest in Ronneburg.
„Ich war in der 1. Klasse. Eines Tages, das Schuljahr hatte gerade erst angefangen, statteten die Nachwuchstrainer des HSV Ronneburg uns einen Besuch ab, standen plötzlich vor der Klasse und fragten, wer hier denn Stölzner heißen würde, worauf ich mich brav meldete“, berichtet der nunmehrige Co-Trainer des SV Hermsdorf. Seinen Cousin André, der in der Parallelklasse verweilte und der den gleichen Nachnamen besaß, hätten die Trainer dann auch noch aufgesucht.
Dass der Ronneburger Verein so erpicht darauf war, den Nachwuchs zu verpflichten, war in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass die Familie Stölzner bereits diverse Handball-Größen hervorgebracht hatte. Sein Opa, sein Onkel, die Cousins – alle spielten Handball. Tradition eben. „Ich bin quasi in der Halle in Ronneburg aufgewachsen, hatte von klein auf den Ball in der Hand“, sagt Christopher Stölzner.
Am Dienstag in der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf hatte der ehemalige Rückraumakteur fürs Erste keinen Handball in der Hand. Vielmehr gab er den Adlatus von Mario Kühne beim eher ungeliebten Ausdauer- und Athletik-Training. Er trug Hürden von A nach B und beobachtete aufmerksam, wie Kühne seine Pappenheimer in feinster Felix-Magath-Manier quälte. Medizinbälle und so. Es war das erste Mal, dass der ehemalige HSV-Spieler bei einem Training der Kreuzritter zugegen war – und sein erster Eindruck war durch und durch positiv. „Das ist auf jeden Fall eine coole Truppe. Alles wirkt sehr familiär, und sie sind willig, sind heiß auf das Training“, resümierte der gelernte Physiotherapeut.
Bundesliga-Aufstieg mit Eisenach
Stölzner dürfte durchaus in der Lage sein, dergleichen zu beurteilen, ist er doch in Sachen Handball etwas herumgekommen. Bis zur C-Jugend spielte er in Ronneburg, wechselte anschließend auf die Cottbuser Sportschule, wo er auch seinen Realschulabschluss machte. Im Alter von 17 Jahren kam er in seine Heimatstadt zurück, lief in der B-Jugend auf, bevor er nach Eisenach wechselte. Dort gehörte er zuerst der zweiten Mannschaft des ThSV an und wurde Thüringenmeister.
Danach bekam er einen sogenannten Anschlusskader-Vertrag für die ersten Mannschaft. „Ich habe zwar jedes Training bei der ersten Mannschaft mitgemacht, habe aber fast nie gespielt.“ Er wurde ausgeliehen, spielte für die HSG Gotha/Goldbach in der Mitteldeutschen Oberliga und auch für die HSG Werratal in der Thüringenliga, bevor er 2016 zum HSV Ronneburg zurückkehrte.
Neue Herausforderung gesucht
Und nun Co-Trainer beim – vermeintlichen – Erzfeind SV Hermsdorf? „Nach all den Jahren in Ronneburg, brauchte ich eine neue Herausforderung. Ich bin ja schon immer recht viel herumgereist“, sagt der 26-Jährige, der in der Stadt mit der Wismut-Tradition lebt. Das Verhältnis zwischen den beiden Vereinen habe sich laut Stölzner im Laufe der Jahre entspannt, die Spieler würden sich untereinander gut verstehen. Dass sei nicht mehr wie früher, als ein Wechsel zwischen Ronneburg und Hermsdorf einem Hochverrat gleichkam. „Aber es wird wohl auch HSV-Fans geben, die mir das übel nehmen“, räumt Stölzner ein.
Apropos Ronneburg. Dort habe er einen seiner schönsten Momente im Sport erlebt: die Meisterschaft 2017. „Das war in emotionaler Hinsicht schon etwas ganz Besonderes, denn meine gesamte Familie war da ja involviert. Außerdem war das auch für die Stadt sehr wichtig.“
Doch der Meistertitel in seiner Heimatstadt war nicht der einzige Erfolg, der ihm in Erinnerung geblieben ist. Auch der Aufstieg in die Bundesliga mit dem ThSV Eisenach im Jahr 2013 ist ihm noch sehr geläufig – auch wenn er da über den Status eines Trainingspartners nie hinausgekommen sei. „Es war unglaublich, die ganze Stadt hat gefühlt tagelang gefeiert. Ein paar Scherzkekse hatten sogar einen Zettel auf einen Geldautomaten geklebt, auf dem Stand, dass er außer Betrieb sei, da er ebenfalls den Aufstieg feiern würde.“
Was den gelernten Spielmacher in den vergangenen Jahren indes immer wieder zurückwarf, waren Verletzungen. Stölzner musste bereits Operationen an beiden Knien über sich ergehen lassen. Dazu gesellte sich noch eine Schulteroperation, nachdem er sich diese ausgekugelt hatte. „Die vielen Verletzungen haben dazu beigetragen, dass ich meine aktive Karriere beizeiten beendet habe, zumal es ja oftmals keine Lappalien waren, sondern schwerwiegendere Sachen.“
Stölzner gibt sich am Dienstag in Hermsdorf eher bedächtig, gibt keine großspurigen Ansagen von sich. Er sei hier, um zu lernen, sagt er fast schon demütig. Es sei eine Entwicklung, und es mangle derzeit nicht an Eindrücken. In Hermsdorf beginne für ihn ein neues Kapitel in seiner Handball-Vita. Er blicke nun von außen auf das Geschehen, könne nicht mehr eingreifen. Dergleichen sei auf eine gewisse Art faszinierend, sinniert Stölzner auf der Tribüne, während auf der anderen Seite der Halle Sebastian Hammer vor Schmerzen sein Gesicht verzerrt. Die Arbeit mit dem Medizinball verfehlt seine Wirkung beim SVH-Akteur nicht. Mario Kühne lacht derweil schelmisch.
Wollte an Außenlinie stehen
Dass er perspektivisch Mario Kühne als Trainer ablösen soll, darauf will der frischgebackene Co-Trainer erst einmal nicht eingehen. Dergleichen zum Thema zu machen, dafür sei es noch viel zu früh. Lieber einen Schritt nach dem anderen tätigen. Nichtsdestotrotz, er habe immer gewusst, dass er irgendwann einmal an der Außenlinie stehen werde, zumal er ja schon in Ronneburg im Kommandostab ausgeholfen habe. Das passe schon alles, er befinde sich auf dem richtigen Weg. Außerdem könne er sich ein Leben ohne Handball sowieso nicht vorstellen.
Ach ja, vom berühmt-berüchtigten Handballer-Fasching in Hermsdorf habe er auch schon einmal gehört, berichtet Christopher Stölzner. Was das jedoch im Detail bedeute, wisse er nicht. „Doch Robert Zehmisch, der ja auch mal in Ronneburg gespielt hat, hat da sowas durchblicken lassen“, sagt Stölzner und schmunzelt.
Otz/Marcus Schulze/18.06.2020