Handball-Torhüter Damian Kowalczyk vom SV Hermsdorf ist überzeugt, dass die Kreuzritter Meister werden können
Marcus Schulze
Hermsdorf Ein Tattoo ziert den linken Unterarm von Damian Kowalczyk. Eine ikonisch anmutende Komposition, die sich aus diversen Elementen zusammensetzt. Da wären beispielsweise zwei Rosenblüten, die seinem Vater gewidmet sind, erklärt Kowalczyk, der in einer Kleinstadt bei Katowice in Schlesien das Licht der Welt erblickte. Als der Autor dieser Zeilen nach dem Namen der Stadt fragt, lacht Kowalczyk nur schelmisch. Ich solle doch einfach in der Nähe von Katowice schreiben, der Name seines Geburtsortes sei für einen deutschen Gaumen eine phonetische Herausforderung: Piekary Slaskie.
Doch zurück zu den Rosenblüten. Der neue Torhüter des SV Hermsdorf kommt noch einmal auf seinen Vater, „mein Papa“, zu sprechen. Er war Bergmann, kam mit 49 Jahren bei einem Unfall in einem Bergwerk ums Leben, berichtet Kowalczyk. Neben den beiden Blüten auf dem Unterarm kann man eine Kette sehen. Doch es handelt sich dabei nicht um irgendein x-beliebiges Exemplar, sondern um einen Rosenkranz. Ein Symbol des Glaubens. Kowalczyk ist Katholik, geht sonntags in die Kirche und bekreuzigt sich vor jedem Spiel. Sein Glaube sei ihm wichtig, sagt der 31-Jährige, in dessen Heimatland Polen 87 Prozent der Bevölkerung der Römisch-katholischen Kirche angehören.
Zwischen den Blüten und dem Kranz ist noch eine Taschenuhr eingebettet, die 10:31 Uhr anzeigt. Das wiederum war die exakte Zeit, an der seine Tochter Hanna auf die Welt kam. Über all dem — Blüten, Rosenkranz und Uhr – thront indes eine Schwalbe. „Ein Zeichen für Hoffnung, Glaube, Liebe, Freiheit und auch Familie“, sagt Kowalczyk leicht nachdenklich.
Familie, das ist so ein Wort, das der Torhüter, der im Alter von elf Jahren erstmals zwischen den Pfosten stand, in schöner Regelmäßigkeit benutzt – auch wenn er über seinen neuen Verein spricht. „Alles wirkt hier sehr familiär. Man merkt, dass hier die Leute nicht nur zum Trainieren und Handballspielen herkommen, um dann gleich wieder zu gehen. Da ist noch mehr vorhanden“, sagt der Neo-Kreuzritter, der am Dienstag in der Werner-Seelenbinder-Halle etwa mit Hannes Rudolph, Sebastian Hammer, Paul Götze, Felix und Fritz Reis sowie Riccardo Ganz trainiert. Und natürlich mit Maximilian Remde, mit dem Kowalczyk eine Einheit bei einem nicht ganz alltäglichen Fußballspiel bildet. Er und der SVH-Kapitän sind durch ein elastisches Band miteinander verbunden. Wenn der eine gen Tor stürmt, muss der andere – über kurz oder lang – mitrennen.
Am Ende wurde viel gelacht, und wer es nicht weiß, hätte nicht erahnt, dass Kowalczyk erst seit gut einer Woche in Hermsdorf trainiert. Mario Kühne, der das von Slapstick-Einlagen gekennzeichnete Fußball-Unterfangen mit Freude beobachtete und bissig kommentierte, redete mit seinem neuen Torhüter, als ob dieser schon immer ein Bestandteil der Kreuzritter gewesen sei.
Der HBV Jena ist für den Keeper ein recht schwieriges Thema
Hermsdorf ist nun die vierte Station von Damian Kowalczyk in Deutschland. Von 2015 bis 2017 lief er für die HSG Freiberg in der Mitteldeutschen Oberliga auf. Danach hütete er in Sachsen Anhalt für ein Jahr das Tor der SG Spergau, bevor er gen Jena zum dortigen HBV Jena 90 wechselte. Jena sei ein schwieriges Thema, sagt der Handballer. Die HBV-Spieler hätten die Qualität für die Mitteldeutsche Oberliga gehabt, zweifelsohne, „doch irgendetwas hat nicht geklappt“. Kowalczyk gibt sich diplomatisch, aber auch selbstkritisch: „Meine Leistung war auch nicht so gut. Ich habe nicht das gezeigt, was ich wirklich kann. In Hermsdorf möchte ich nun wieder an bessere Zeiten anknüpfen“, sagt der Sportpädagoge, der in Jena lebt und in der Universitätsstadt in einem Fitnessstudio arbeitet. Nichtsdestotrotz, er sei den Verantwortlichen des HBV Jena sehr dankbar dafür, dass sie es ihm ermöglichten, in Jena leben zu können. Doch in Sachen Handball sei er nun vollends auf Hermsdorf fokussiert. „Ich bin der Überzeugung, dass wir Meister werden können.“ Gibt es eigentlich einen fundamentalen Unterschied zwischen Polen und Deutschland, den er nach all den Jahren habe ausmachen können? „In Polen spielt das Thema Familie meines Erachtens eine viel größere Rolle. Es ist viel präsenter, alles ist traditioneller. Bei uns heiratet man beizeiten und man lässt sich eher selten scheiden. In Deutschland ist das anders, die Leute haben zwar Kinder, heiraten aber nicht. Manche wollen auch gar keine Kinder. Oft hat es den Anschein, dass man sich in Deutschland alle Optionen offenhalten möchte. Man will sich nicht so früh festlegen“, sagt Kowalczyk, der vier Geschwister hat und im Februar zum zweiten Mal Vater.
Seine Frau und er hätten sich an die etwas anders geartete Mentalität der Deutschen erst gewöhnen müssen. „Das ist ja auch normal, doch man muss sich auch ein wenig anpassen“, sagt der Keeper, der dann noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommt: die Sprache. Deutsch sei schwer. Sehr, sehr schwer sogar. Deswegen hätte er am liebsten in Freiberg nach einem halben Jahr das Handtuch geworfen. Nunmehr betrachtet es Kowalczyk als Vorteil, dass er keinen Landsmann beim SV Hermsdorf hat. Dadurch sei er gezwungen, permanent Deutsch zu reden. „In den anderen Teams waren auch Polen. Da haben sich dann sehr schnell Grüppchen gebildet.“
Apropos Freiberg. Nur zweimal traf er mit den Dachsen aus der Bergbaustadt auf die Kreuzritter. Doch die Partie in Hermsdorf aus dem Jahr 2017 ist ihm noch geläufig, zumal die Freiberger siegten und nach ihrem Triumph mit den Handballern das Steigerlied zelebrierten. „Die Atmosphäre und die Kulisse waren einfach nur riesig“, schwärmt Damian Kowalczyk noch Jahre später. Darauf freue er sich ungemein. Auch weil es in Jena diesen Handball-Wahnsinn nicht gegeben hätte.
Otz/Marcus Schulze/10.07.2020