Tobias Högl hatte seine Karrie beendet, doch jetzt trägt er noch einmal das Trikot des SVH
Marcus Schulze
Hermsdorf Tobias Högl muss überlegen. Er rechnet am anderen Ende der Leitung. „Das mit den Jahreszahlen war noch nie meine Stärke“, sagt der 40-Jährige, der seit dieser Saison wieder zum Kader des SV Hermsdorf gehört. Ja, es klingt fast nach einer Entschuldigung. Eine Entschuldigung dafür, dass er nicht ad hoc die Anzahl der Jahre beziffern kann, die er vor seinem Wechsel zum HC Burgenland für die Kreuzritter gespielt hat. „Zehn, vielleicht sogar elf“, sagt Tobias Högl leicht unschlüssig.
Aber wer braucht schon seelenlose, kalte Zahlen, wenn er auf Emotionen zurückgreifen kann. Denn fragt man den quasi Heimkehrer in den Reihen von Mario Kühne nach der Partie gegen Arnstadt am vergangenen Wochenende, erhält man umgehend ein Antwort – immerhin durfte er da erstmals wieder im Namen der Kreuzritter in ein Punktspiel eingreifen und erzielte dann auch noch drei Tore. „Das hat einfach nur Spaß gemacht. Es war ein tolles Erlebnis, wieder für den SV Hermsdorf spielen zu dürfen“, resümiert Högl in seinem unnachahmlichen schwäbischen Akzent.
Dass er mit 40 Jahren wieder mit an Bord ist, sei indes einzig und allein der Verdienst eines Mannes, sagt Högl. „Wenn Mario nicht der Trainer wäre, hätte ich das nicht gemacht. Das war der ausschlaggebende Punkt für meine Entscheidung.“ Kühne habe bereits in der vergangenen Saison bei ihm angefragt, ob er denn nicht aushelfen wolle. Als er schließlich sein Okay gab, bremste jedoch die Corona-Pandemie im März seine Rückkehr zu seinem alten Verein jäh aus. Exakt eine Woche vor dem eigentlichen Lockdown nahm er in Hermsdorf wieder am Training teil. „Jetzt bin ich halt in dieser Saison mit dabei.“
Eigentlich hatte der Rückraum-Akteur, der jedoch auf fast allen Positionen einsetzbar ist, seine Handball-Karriere bereits vor zwei Jahren beendet. Er half jedoch für drei Partien noch einmal beim HC Burgenland in der vergangenen Saison aus, da die Naumburger in ihren Reihen mit zahlreichen Verletzungen zu kämpfen hatten. „Ich war die Notlösung, habe dort meine Karriere so langsam ausklingen lassen“, resümiert Högl.
Die Zeit in Sachsen-Anhalt sei für ihn in sportlicher Hinsicht noch einmal eine sehr interessante Erfahrung gewesen. „In Hermsdorf war ich immer ein Leistungsträger, habe fast immer 60 Minuten durchgespielt und fungierte auch als Vorbild für die jüngeren Spieler, während ich beim HC Burgenland eher ein Ergänzungsspieler war. Ich konnte dort sehr befreit aufspielen. Das war komplett anders, hat mit aber auch sehr viel Spaß bereitet.“
Die Handballer aus der Domstadt hatten zum Zeitpunkt des Ligaabbruches im Frühjahr 2020 indes die Tabellenführung in der Mitteldeutschen Oberliga inne, durften sich irgendwann Meister nennen und stiegen in die 3. Liga auf. Da er nun in der vergangenen Saison noch dreimal für die Burgenländer spielte, habe er auch eine Meisterschaftsmedaille und ein entsprechendes T-Shirt erhalten, berichtet Högl und muss auch ein wenig lachen.
Der gebürtige Kölner, der jedoch in Dettingen an der Erms in Baden-Württemberg aufwuchs und dessen Handballer-Dasein ihn im Alter von 27 Jahren nach Hermsdorf führte, fühlt sich im Holzland sehr geborgen. „Mit gefällt es hier. Hermsdorf ist mittlerweile meine Heimat geworden. Ich habe hier viele Freunde“, sagt Högl, der in der Porzellanfabrik in Hermsdorf arbeitet.
Doch damit nicht genug. Neben seinem eigentlichen Broterwerb und seinem Engagement in der Thüringenliga gibt es noch ein weiteres Betätigungsfeld: Er trainiert die D-Jugend des SV Hermsdorf. „Das ist eine sehr dankbare Aufgabe, auch wenn es mitunter anstrengend sein kann, zwanzig Kinder zu trainieren“, sagt Högl. Sein Sohn Oscar ist auch dabei.
Am Sonnabend gibt sich nun Goldbach/Hochheim in der Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf ab 19. 30 Uhr die Ehre. Hofft er, dass er erneut in das Geschehen eingreifen darf – zumal die Kreuzritter zu Hause spielen? „Darauf hoffe ich immer. Doch ich bin Mario nicht böse, wenn ich nur auf oder sogar neben der Bank sitzen muss. Aber natürlich hoffe ich immer auf einen Einsatz. Wenn es anders wäre, sollte ich keinen Handball mehr spielen“, sagt Högl.
Gegen Mühlhausen vor 14 Tagen rückte er nach Jahren der Abwesenheit erstmals wieder im Trikot des SV Hermsdorf wieder an seiner alten Wirkungsstätte ein. „Das war etwas ganz Besonderes, ein vertrautes Gefühl, einfach nur schön.“
Ach ja, am Ende konnte Tobias Högl dann auch noch jene Zeitspanne beziffern, in der er in den Diensten der Kreuzritter stand: Februar 2007 bis Mai 2016. Und jetzt gesellt sich eben noch die Saison 2020/21 dazu.
Otz/Marcus Schulze/16.10.2020