Sportvereine in Jena und SHK: Die Reaktionen zum Lockdown fallen sehr unterschiedlich aus
Marcus Schulze
Jena Es sei ein Schuss vor den Bug für alle Amateurvereine. Mario Kühne, Trainer der Handballer des SV Hermsdorf, hadert mit dem Lockdown, dem sich auch dieses Mal alle Sportvereine beugen müssen, die nicht im Profi-Bereich angesiedelt sind. Die gesetzlichen Entscheidungsträger haben laut Kühne dabei schlichtweg die Basis nicht berücksichtigt. Eben all jene Vereine, die Kinder betreuen und sich ehrenamtlich engagieren. „Ich bin mir sicher, dass es den einen oder anderen Verein im Amateurbereich hart treffen wird“, sagt der SVH-Coach. Man habe Hygienekonzepte erarbeitet, habe sich an die Regeln gehalten – und nun werde erneut alles geschlossen.
Doch damit keine Missverständnisse aufkommen: Kühne kann nachvollziehen, dass man aufgrund der steigenden Infektionszahlen seitens der Politik reagieren muss. „Mich würde aber einmal interessieren, wie viele Zuschauer und Sportler sich beim direkten Kontakt angesteckt haben. Das sagt einem keiner – und da kommt bei mir etwas Unverständnis auf“, sagt der Trainer, der mit seinem Team ungeschlagen an der Spitze der Thüringenliga steht. „Die Position da oben haben wir uns hart erarbeitet, die möchte wir auch gerne verteidigen, doch ich befürchte, dass wir mit der Pause auch unseren Flow verlieren. Doch ich bezweifle, dass wir die Saison überhaupt zu Ende spielen werden.“
Respekt für die Entscheidung
Etwas mehr Verständnis zeigt indes Sergio Casanova, Manager der Handballer des HBV Jena, für die Entscheidungsträger – auch wenn er in sportlicher Hinsicht ebenfalls nicht gerade glücklich darüber ist. „Es ist hart. Zweifelsohne. Doch ich respektiere die Entscheidung. Ich bin absolut nicht dagegen. Ich glaube nicht, dass sich die Politiker für den Lockdown ausgesprochen haben, um uns zu ärgern. Sie werden mehr Informationen als wir haben und werden zudem auch noch von Experten beraten“, sagt Casanova, dessen Handballer am Sonnabend in der Mitteldeutschen Oberliga gen Sonneberg reisen – wenn denn seitens des Verbandes nichts anderes verkündet wird. Der Manager verweist jedoch auch darauf, dass er in seinem sportlichen Umfeld immer mehr Stimmen vernehme, die kaum noch Verständnis für die Entscheidungen hätten.
Einschränkung nicht unerwartet
„Das alles kommt für uns nicht unerwartet“, sagt indes Mike Weber, Vorsitzender von Eintracht Eisenberg, recht abgeklärt. Die allgemeine Lage sei schwer einzuschätzen, außerdem müsse man als Verein die Entscheidung ja sowieso hinnehmen. Teilweise sei sie für ihn nachvollziehbar. „Irgendetwas müssen sie ja machen. Ich hoffe aber auch, dass es etwas bringt“, sagt Weber vor dem Hintergrund steigender Zahlen. Dass der Amateursport zwangspausieren muss, sei schade, aber bei weitem auch kein Weltuntergang. „Unser Lebensglück hängt nicht vom Fußball ab“, sagt der Vereinsvorsitzende.
Viel härter würde es die Gastronomie und das Hotelgewerbe treffen, so Weber, der natürlich darauf hofft, dass es im Dezember mit dem Fußball in der Thüringenliga weitergeht. Und sollte dem nicht so sein, werde man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dafür eine Lösung finden. Am Sonnabend gastieren seine Kicker in Weimar, danach stehen für sie alle Zeichen auf Individualtraining.
Saison verlängern
Zwätzens Trainer Daniel Sander spricht derweil von Ungewissheit. Der Trainer der Fußballer aus dem Norden Jenas, die in der Landesklasse beheimatet sind, zweifelt daran, dass nach drei Wochen Pause der Ligabetrieb wieder beginnt. „Wir können nicht pausieren und dann so mir nichts, dir nichts wieder einsteigen. Dafür bräuchten wir mindestens zwei Wochen Vorlauf“, sagt der Trainer. Wenn Sander tief in sich hineinhört, kommt er zu dem Schluss, dass er mit seinen Spielern in diesem Kalenderjahr keine Punkt-Spiele mehr bestreiten wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit. „Sieben Ansetzungen würden dann bis Dezember ausfallen. Ich kann mir nicht vorstellen, wann wir die nachholen sollen. Es ist alles zu eng gestrickt“, gibt der Trainer zu bedenken. Derzeit sieht er nur eine Lösung: die aktuelle Saison auf zwei Jahre zu strecken. „Das ist keine schöne Lösung, doch wir können nicht schon wieder eine Saison annullieren“, sagt Sander, wohlwissend, dass es sich dabei um jenen Vorschlag handelt, denn der Thüringer Fußballverband zuerst präferierte. Nichtsdestotrotz, am Sonnabend spielt Zwätzen in Greiz. „Wir werden den vorläufig letzten Spieltag einfach noch einmal genießen“, sagt Daniel Sander mit einem Anflug von leichter Melancholie.
Otz/Marcus Schulze/30.10.2020