Mit 39 Jahren will Stefan Riedel beim SV Hermsdorf eine weitere Saison in der Thüringenliga absolvieren
Marcus Schulze
Hermsdorf Stefan Riedel muss lachen. Recht herzhaft sogar. „Da hatte ich noch Haare“, sagt der Handball-Haudegen aus Hermsdorf. Mit seiner schonungslosen Bestandsaufnahme in Sachen Haarpracht spielt Stefan Riedel auf ein Gruppenfoto an, welches in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien auftauchte und auf dem auch er zu sehen war.
Die Aufnahme, die aus den Untiefen der 90er-Jahre stammt, ziert eine Thüringen-Auswahl, die an der Landessportschule in Bad Blankenburg gastiert und von keinem Geringerem als Ralph Börmel trainiert wird.
Ein klassisches Sportmotiv. Brav stehen die Verewigten da und blicken eher uninspiriert in die Kamera, unter anderem auch Torsten Dippmann vom HSV Apolda – damals ebenfalls noch mit Haaren. Exakt datieren kann Riedel das Foto im ersten Moment nicht. Wahrscheinlich 1997 oder 98. Da sei er 15 oder halt 16 Jahre alt gewesen. Wer weiß das schon so genau. Dafür fällt ihm ad hoc etwas anderes ein: „Das war eine geile Zeit. Wir waren eine richtig coole Truppe.“
Gut 25 Jahre später ist Stefan Riedel immer noch auf Handball geeicht – oder wie er selbst sagt: „Ich habe immer noch Bock“. Mit seinen nunmehr 39 Jahren gibt er dann auch den Methusalem in den Reihen des SV Hermsdorf, wenn man einmal von Co-Trainer Tobias Högl absieht, der mit 40 Jahren bei Bedarf auch noch in das Geschehen auf dem Platz eingreifen soll.
Doch Riedel, seines Zeichens SVH-Eigengewächs, fühlt sich auch in seinem persönlichen Herbst in Sachen Handball immer noch topfit. „Ich habe schon immer mehr gemacht als manch anderer. Ich versuche jeden Tag zu trainieren – und das wirkt sich dann halt auch positiv auf den Körper aus. Man baut nicht ab und kann dann halt im fortgeschrittenen Alter noch gewisse Sportarten ausüben.“ Diese Einstellung habe er von SVH-Legende Ferenc Bergner übernommen – sein Vorbild und Mentor.
In den eigenen vier Wänden stemmte er Hanteln und arbeitete mit Flexbändern, machte Situps und Liegestütze und hat rund um Hermsdorf natürlich auch diverse Kilometer zurückgelegt – wahlweise zu Fuß oder mit dem Rad. Hauptsache Bewegung.
Aber ja, es sei schon eine komische Situation dieser Tage, denn keiner könne einem sagen, wann und wie es für die Handball-Amateure in Thüringen weitergehen wird. Den Sport auf der großen Bühne würde er indes nur am Rande verfolgen, und wenn, dann höchstens Handball. „Fußball schaue ich nicht. Das ist mir viel zu langweilig. Da passiert mir schlichtweg zu wenig, und ohne Zuschauer ist das noch seltsamer. Das hat so einen Testspiel-Charakter.“
Und die abgebrochene Saison in der Thüringenliga? „Das ist schon schade. Es lief richtig gut für uns, und wir hatten mit Mühlhausen und Suhl gegen zwei hochkarätige Gegner siegen können. Die Partien haben wir dominiert“, resümiert der Kreisläufer.
Statt endlos Sport zu konsumieren, verbringe er das Mehr an Freizeit lieber mit seinem dreieinhalb-jährigen Sohn. „Er macht mich glücklich und stolz zugleich“, sagt der Herr Papa, der mit seinem nächsten Atemzug betont, dass der Filius Linkshänder ist. „Manchmal sagt er, dass er Handball spielen möchte. Vielleicht bleibt das ja so – und dann melde ich ihn an.“
Stefan Riedel hat ein Faible für elektronische Musik und stattete vor der Corona-Pandemie dem Muna-Club in schöner Regelmäßigkeit einen Besuch ab. Nicht selten brachen die Kreuzritter nach einem Spieltag in großer Runde gen Bad Klosterlausnitz auf, um die Leichtigkeit des Seins auf den Tanzflächen des ehemaligen Armeegeländes zu beschwören – und zwar mit Beats und auch reichlich Bass.
„Das vermisse ich schon sehr. Die Muna ist halt nicht so ein steriler Club, sondern sehr authentisch. Die Leute in dem Verein, die das alles managen, investieren wirklich sehr viel Herzblut. Ich hoffe wirklich, dass sie bald wieder öffnen dürfen.“
Träumt er eigentlich davon, noch einmal in der Mitteldeutschen Oberliga zu spielen? „Die ist schon ein anderes Brett. Generell würde ich mir das schon zutrauen, doch das hängt auch von meinem Körper ab. Wir werden sehen.“
Vor gut einem Vierteljahrhundert in der Landessportschule in Bad Blankenburg habe er nicht darüber sinniert, ob er sich mit fast Vierzig immer noch mit dem kleinen runden Leder befassen wird. „Darüber macht man sich doch als Jugendlicher keine Gedanken. Da lebt man im Moment und denkt noch nicht an übermorgen.“ Er sei froh, dass er in seiner Jugend die Möglichkeit hatte, seine sportliche Passion so intensiv auszuleben. Außerdem seien in jenen Auswahl-Tagen Freundschaften entstanden, die auch ein Vierteljahrhundert danach noch Gültigkeit haben. „Gerade ist das ja alles nicht möglich. Die jungen Handballer schmoren vor sich hin“, sagt Stefan Riedel und wirkt auf einmal sehr nachdenklich.
Otz/Marcus Schulze/19.02.2021