Mrz 21, 1 Jahr ago

„Da beißt du dir die Fingerkuppen ab“

Knapp, aber nicht unverdient, siegt der SV Hermsdorf über den HC Glauchau/Meerane in der Handball-Oberliga mit 31:30
In der ersten Halbzeit agierte Paul „Bademeister“ Götze eher unglücklich, dafür lief es in der zweiten gut für ihn.

„Paul! Paul! Paul! Paul! Paul ist toll!“
In der 52. Spielminute dröhnte da plötzlich das bekannte Intro des Songs „Paul“ von den Ärzten aus dem Jahr 1984 durch die Werner-Seelenbinder-Halle in Hermsdorf. Der Erguss aus der Frühphase der selbsttitulierten besten Band der Welt karikiert den Arbeitsalltag und auch die Marotten eines attraktiven Bademeisters im lokalen Schwimmbad, der eine gute Figur beim gar furchtlosen Sprung vom Turm macht, ein Goldkettchen trägt und beim Flirten mit weiblichen Badegästen eine ganze eigene und wenig subtile Vorgehensweise pflegt: „…und findet Paul mal ein Mädchen nett, wirft er sie vom Zehnmeterbrett…“.
Ob nun Paul Götze aus den Reihen des SV Hermsdorf auch während eines Turmsprungs wie Superman daherkommt, ein Goldkettchen präsentiert und auch so rustikal flirtet wie sein Namensvetter in der roten Badehose, kann an dieser Stelle – zumindest vorerst – nicht beantwortet werden. Was Paul Götze aber definitiv kann: Tore werfen, wenn es vonnöten ist – zumindest war das am Samstagabend der Fall, als die Kreuzritter in der Mitteldeutschen Oberliga den HC Glauchau/Meerane empfingen und letztendlich auch triumphierten.
Unmittelbar nach seiner Einwechslung in der einsetzenden Schlussphase der Partie erzielte er binnen drei Minuten drei Tore; der Rückraumakteur traf zum temporären 28:25 (50.), zum 30:26 (52.) sowie zum 31:26 (52.) – und nach dem dritten Treffer kredenzte Hallen-DJ Holger Posse kurzerhand besagtes Intro aus der Feder der Berliner Pop-Punker. „Als ich vor vier Jahren erstmals in Hermsdorf aufschlug, hatte Holger sofort das Lied von den Ärzten auf den Lippen“, erinnerte sich Paul Götze und lachte.
Sein Einsatz am Samstag war im Vorfeld indes fraglich, da er sich während eines Trainings das Knie verdrehte und ihn daraufhin Schmerzen plagten, doch letztendlich sei das alles halb so wild gewesen, resümierte der 25-jährige Lehramtsstudent auf Geografie und Sport. Seine drei Tore wiederum wollte er nicht überbewerten: „Dafür habe ich in der ersten Halbzeit sehr unglücklich agiert und bin jetzt einfach nur froh darüber, dass wir es am Ende als Team geschafft haben und ich meinen Teil dazu beitragen konnte.“
Gäste aus Westsachsen führten zur Halbzeit knapp
Die erste Halbzeit konnten indes die Westsachsen, die als Sechstplatzierter anreisten, für sich entscheiden. Von Anfang an hatten sie die Führung inne und durften mehr als nur einmal einen Vorsprung von drei Toren während des ersten Aktes ihr Eigen nennen, doch als die Pausensirene dröhnte, trennten die Kreuzritter und die Gäste lediglich ein Tor (15:16). In der 32. Minute gelang den Hausherren dank Haudegen Stefan Riedel erstmals die Egalisierung (17:17). Während der folgenden 13 Minuten konnte sich jedoch keines der beiden Teams zwingend absetzen; einer Minimalführung folgte oftmals der Ausgleich, doch nach dem erfolgreichen Agieren von Hannes Rudolph, Erik Berényi, Erik Szommer und natürlich Paul Götze wandelte sich der Spielstand zu Gunsten der Gastgeber von 25:25 (46.) zu 31:26 (53.).
Doch die Kreuzritter hatten gen Ende der Begegnung ein gewaltiges Problem: Das dritte Tor von Paul Götze sollte gleichzeitig auch ihr letztes gewesen sein, während die Gäste ihren Rückstand in den noch ausstehenden acht Minuten sukzessiv verkürzten und 43 Sekunden vor dem Abpfiff auf ein Tor (30:31) herangekommen waren – doch die Hausherren retteten ihren wahrlich zarten Vorsprung über die Zeit.
Entsprechend zufrieden blickte dann auch Tobias Högl nach der Partie aus seinem roten Hermsdorf-Hoody, während er vor der Halle eine Zigarette genoss: „Heute haben wir endlich einmal Moral bewiesen und gekämpft – und zwar das gesamte Team“, resümierte der Trainer, der an diesem Tag im Alleingang die Geschicke der Kreuzritter lenkte. Högl betonte jedoch auch, dass es seine Mannen gen Ende unnötig spannend gemacht hätten, obwohl sie mit fünf Toren in Führung lagen. Aus für ihn unerklärlichen Gründen seien sie auf einmal nervös geworden. „Da hatten wir das Glück, dass Glauchau ebenfalls Bälle verwarf“, sagte der Trainer.
Ach ja, wie spannend, ja wie aufreibend sich die Schlussphase der Begegnung gestaltete, spiegelte sich auch in der Aussage von Jan Heilwagen wider, der das Spiel als Zuschauer erlebte: „Da beißt du dir die Fingerkuppen ab.“

Marcus Schulze / OTZ

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